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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Trotz ihrer stil len Andachten und der Toleranz Andersdenkenden gegenüber schienen selbst die Quäker hinter Honors Stille einen Vorwurf zu vermuten.
    Nach einer Ersttag-Andacht nahm Adam Cox Honor beiseite. »Ich begleite dich zum Hof zurück«, erklärte er und führte sie von den Haymakers weg, während Abigail sich um ihr Baby kümmerte, einen Sohn, den sie Elias genannt hatten. »Ich würde dich gern fragen, warum du dich zum Schweigen entschlossen hast, aber ich weiß, dass du mir nicht antworten wirst«, sagte er, als sie auf dem Fahrweg nebeneinander hergingen. Der Boden war zu harten, zerklüfteten Furchen getrocknet, die fast genauso unwegsam waren wie der feucht-zähe Matsch des Frühjahrs. »Jack sagt, der Tod des Negers sei dir so nahegegangen. Das ist er uns allen.« Caleb Wilson hatte eine Andacht zum Gedenken an den Flüchtling organisiert, in der aber niemand gesprochen hatte, weil ihn niemand gekannt hatte. Sie wussten noch nicht einmal seinen Namen. »Aber deshalb solltest du dich nicht von deiner Familie oder der Gemeinde entfremden.«
    Honor sagte natürlich nichts.
    Â»Judith hat mich gebeten, mit dir zu sprechen«, fuhr Adam fort. »Sie denkt, dass du auf jemanden aus deiner Heimat vielleicht eher hörst. Die Ältesten betrachten dein Schweigen als Aggression. Ich soll dir sagen, dass sie dich nur deshalb noch nicht aufgefordert haben, die Gemeinschaft zu verlassen, weil du schwanger bist. Doch nach der Geburt musst du wieder zu sprechen beginnen, sonst darfst du nicht mehr in Faithwell bleiben und musst dein Kind den Haymakers überlassen.«
    Honor erschrak. Obwohl sie erlebt hatte, mit welcher Härte die Freunde in Bridport gegen Samuel vorgegangen waren, hatte sie gehofft, dass man sie in Faithwell anders behandeln würde.
    Â»Ich habe sie daran erinnert, dass du ein schweres Jahr hinter dir hast. Du hast deine Schwester und Samuel verloren und hast England verlassen, obwohl du vielleicht besser daheim geblieben wärest. Nicht jeder Mensch eignet sich für solche großen Veränderungen, auch wenn man das manchmal erst erkennt, wenn es zu spät ist.« Adam hielt inne. »Honor, Amerika ist ein junges Land, bitte versuche das zu verstehen. Wir schauen nach vorne und nicht zurück. Statt lange über unser Unglück zu grübeln, machen wir einfach weiter, so wie ich und Abigail. Ich hatte gehofft, du würdest es mit Jack genauso machen. Es gilt hier als schlechte Eigenschaft, ewig unangenehmen Erfahrungen nachzuhängen. Du würdest gut daran tun, zu erkennen, was du an den Haymakers hast. Sie sind aufrechte Menschen.«
    Ãœber die Sklaverei oder Überzeugungen, die man vertrat oder verriet, hatte Adam kein Wort verloren. Er blickte Honor an und erhoffte sich ganz eindeutig eine Antwort. Doch Honor betrachtete stattdessen die Wildblumen am Wegesrand: Purpur dost, den sie hier Joe-Pye-Kraut nannten, Kuckucks-Licht nelken und Mädesüß, in Amerika auch als Königin der Prärie bekannt. Nach einem Jahr in Ohio kannte Honor auch die amerikanischen Bezeichnungen.
    Mit dem Einverständnis der Haymakers bat Adam Honor am nächsten Sechsttag, ihm im Laden in Oberlin auszuhelfen. Vielleicht dachten sie, dass der Umgang mit den Kundinnen sie zum Sprechen zwingen würde, doch Honor demonstrierte, wie wenige Worte zum Verkaufen nötig waren. Sie konnte sich mit Lächeln, Nicken und Handzeichen verständlich machen. Nur wenige Kundinnen wollten wissen, was es mit Honors Stummheit auf sich hatte, denn es gab hier viele Menschen, die mit irgendeinem Leiden geschlagen waren.
    Am Nachmittag kam Mrs Reed in den Laden, um sich eine Schere schleifen zu lassen. Sie sah, wie Honor sich durch Kopfnicken und Gesten mit den Kundinnen verständigte, und nickte dann selbst. »Worte sind nicht alles«, ließ sie die Anwesenden im Laden wissen und nahm ihre Brille ab, um sie am Kleiderärmel zu putzen. »Meist bringen sie einem ohnehin nur Ärger. Vielleicht werde ich eines Tages auch zu schweigen beginnen.« Die Vorstellung schien ihr zu gefallen.
    Â»Ich habe von dem Mann gehört«, flüsterte sie Honor zu, nachdem Adam ihr die Schere zurückgegeben hatte. »Traurig, aber so etwas kommt vor.« Sie hielt kurz inne. »Diese Geschichte sollte nicht der Grund dafür sein, dass Sie nicht mehr reden. Wenn Sie in Zukunft lieber schweigen wollen, ist das in Ordnung, aber Sie sollten

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