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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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da nicht die Sklavenflüchtlinge mit reinziehen.« Sie wickelte die Schere in einen Lappen und steckte sie zurück in ihre Rocktasche. Dann rückte sie ihren Hut zurecht, der an diesem Tag mit Goldruten geschmückt war. »Einen guten Tag.« Sie nickte Adam zu. »Und Ihnen auch, Honor Bright.« Als sie zur Ladentür ging, fing sie zu summen an, und die Goldruten hüpften im Takt dazu.

East Street
    Bridport
    Dorset
    15. des 8. Monats 1851
    Liebe Honor,
    wir warten jetzt täglich auf Post, denn wir haben seit drei Monaten nichts mehr von Dir gehört. Bis auf die Zeit, als Du krank warst, hast Du immer so regelmäßig geschrieben, dass wir uns jetzt Sorgen machen, ob Dir etwas zugestoßen ist. Wenn Dich dieser Brief erreicht, hast Du mit Gottes Gnade vielleicht schon Dein Baby bekommen, aber wir hoffen, noch vorher von Dir zu hören, dass es Dir gut geht.
    Deine Dich liebenden Eltern,
Hannah und Abraham Bright

Wasser
    Es würde immer einen letzten Flüchtling geben.
    Obwohl schon eine Ahnung von Herbst in der Luft lag, war der letzte Tag des achten Monats heiß und schwül. Die Sonne hatte ihren Zenit überschritten, und das Laub leuchtete nicht mehr saftig grün, sondern war von ersten leisen Gelbtönen durchzogen und wirkte staubig. Honor eilte den Feldweg entlang. Irgendetwas schien in der Luft zu liegen, etwas, worauf die Natur zu warten schien: ein Gewitter, ein Unwetter, das die Ernte zerstörte, oder ein Feuer, das alles niederwalzte. Sie war spät dran.
    Die Haymakers fuhren Heu ein. Es war ein feuchter Sommer gewesen, und dies war erst die zweite Ernte; eine Enttäuschung, denn es bedeutete, dass sie die Herde nicht um die geplante Kuh erweitern konnten. Jack, Judith, Dorcas und einige Nachbarn aus Faithwell arbeiteten auf dem Feld nördlich des Wielandwaldes. Honor durfte ihnen nicht helfen, worüber sie froh war. Am Morgen war sie mit einem unangenehmen Gefühl im Bauch aufgewacht. Das Baby sollte zwar erst in einem Monat kommen, doch es fühlte sich bereits recht groß an und hatte sich gesenkt, sodass es Honor auf die Blase drückte und sie zwang, mehrmals in der Nacht den Topf zu benutzen. Honor spürte, dass sich das Baby aus der Enge ihres Bauches befreien wollte. Sicher würde es eher zu früh kommen und sich nicht, wie viele Erstgeborene, lange festklammern.
    Judith hatte leise vor sich hingeschimpft, weil Honor dieses Jahr schon wieder bei der Ernte ausfiel, gerade so, als hätte sie die Schwangerschaft bewusst so geplant. Doch ihre Worte prallten an Honor ab. Da sie nichts mehr erwidern musste, waren ihr Judiths Andeutungen egal.
    Am Morgen hatte sie allein zu Ende gemolken, damit Jack, Dorcas und Judith frühstücken und gleich mit den anderen aufs Feld hinausfahren konnten. Dann hatte sie die Frühstückssachen aufgeräumt und die von Judith bestellten Fleischpasteten zubereitet. Honor sollte sie den Arbeitern zur Mittagspause aufs Feld hinausbringen. Es tat gut, allein auf dem Hof zu arbeiten, und Honor war recht unbekümmert, bis das Baby sich hartnäckiger meldete und sie sich setzen musste. Jack und Dorcas waren in der Zwischenzeit zweimal mit einem vollbeladenen Heuwagen in den Hof gefahren und hatten ihn im Schober abgeladen. Honor ging nicht zu ihnen hinaus, und sie kamen auch nicht zu ihr ins Haus, sondern tranken beim Brunnen und füllten dort einen Krug für die anderen.
    Da ihr bis Mittag noch ein wenig Zeit blieb, setzte sich Honor mit dem Schoß voller Stoffsechsecke auf die Veranda. Sie wollte sie zu Rosetten für einen »Großmutters Blumengarten« zusammennähen. Angefangen hatte sie mit den grünen und braunen halbfertigen Rosetten, die sie in ihrem Arbeitskorb gefunden hatte, dann hatte sie noch andere Farben hinzugefügt: gelb, rot und grün. Vor einem Monat hatte sie den letzten Quilt für Dorcas fertiggestellt, seither konnte sie wieder nähen, was sie wollte. Zuerst hatte sie alle besonderen Stoffreste aus ihrem Korb hervorgeholt und vor sich ausgebreitet: die Streifen aus dem Kleid von Grace, Belles gelbe und hellbraune Seidenreste und den beige-rostfarbenen Rautenstoff, aus dem Mrs Reed das Hochzeitskleid für ihre Tochter genäht hatte. Doch das Material hatte Honor nicht inspiriert; sie bezweifelte sogar, ob sie jemals wieder Ideen für einen richtigen Patchwork-Quilt haben würde. Weil sie es aber hasste, untätig herumzusitzen, arbeitete sie an den

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