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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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wollte er mich schon einmal reinlegen.«
    Honor blickte die Straße entlang und machte im Dunkeln Donovans zusammengesackt im Sattel sitzende Silhouette aus. Sie behielt ihn im Auge, bis er nicht mehr zu sehen war. »Er ist weg.«
    Â»Gut. Bleib hier im Laden und pass auf, ob er zurückkommt.« Belle eilte wieder hinters Haus. Wenige Minuten später sah Honor, wie Thomas mit dem Wagen davonfuhr. Ohne die schwere Holzladung klapperte er laut über den Fahrweg.
    Honor und Comfort blieben am Fenster stehen. Das Baby lag ganz still über der Schulter seiner Mutter und streckte ein Händchen der Dunkelheit entgegen. In den letzten Tagen war Comfort ruhiger geworden, und ihre Bewegungen wirkten kontrollierter.
    Belle kam bald zurück. »So, jetzt mach ich uns was zu essen.« Als Honor den Mund öffnete und zum Reden ansetzte, unterbrach Belle sie. »Frag nicht. Wenn du nichts weißt, kannst du Donovan auch nichts erzählen, wenn er zurückkommt. Und ich verspreche dir, wir werden ihn noch heute Abend wiedersehen. Er muss hier bestimmt noch einmal rumschnüffeln.« Sie sprach, als wisse Honor genau, was in Haus und Schuppen vor sich ging, und Honor wusste es tatsächlich. Sie erlaubte sich nur nicht, es in klare Gedanken zu fassen. Manche Dinge blieben besser im Dunkeln.
    Doch sie blieben nicht im Dunkeln. Später am Abend, als Honor und Belle in der Küche aßen und das Baby friedlich in der Wiege zu ihren Füßen schlummerte, hörte Honor plötzlich ein leises Wimmern. Es kam nicht von Comfort. Honor kannte die Geräusche ihres Babys so genau, dass sie nicht einmal auf die Wiege hinabblicken musste. Sie lauschte angestrengt und erstarrte. Ihr Messer blieb in dem Schweinekotelett stecken, an dem sie gerade säbelte.
    Im selben Moment legte Belle ihr Besteck laut klappernd auf dem Teller ab und stand auf. Sie schob ihren Stuhl so ruckartig zurück, dass die Beine laut über den Boden schrammten. »Weißt du, wonach mir gerade der Sinn steht?«, fragte sie. »Ich hätte gern einen Tee zum Essen. Ihr Engländer trinkt doch dauernd Tee, oder? Ich setze mal Wasser auf.« Sie nahm den Wasserkrug und füllte den Kessel. »Mal was anderes als immer nur Kaffee und Whiskey, würde ich sagen.« Belle knallte den Kessel scheppernd auf den Herd. »Aber du hast sicher noch nie einen Tropfen Alkohol angerührt. Weder Whiskey noch Bier noch sonst irgendwas. Arme Quäkerin.«
    So beherzt Belle auch versuchte, möglichst viel Lärm zu machen, hörte Honor doch wieder ein Wimmern und danach das leise Flüstern einer Frauenstimme. Es war nicht irgendeine Stimme, sondern die einer Mutter, die ihr Kind beruhigte. Seit sie selbst Mutter war, hatte Honor ein feines Gespür für mütterliche Tonlagen entwickelt.
    Â»Wo sind sie?«, fragte sie in eine kurze Pause von Belles Klappern und Plappern hinein.
    Belle wirkte fast erleichtert und lächelte, als wolle sie sich dafür entschuldigen, dass sie geglaubt hatte, Honor ließe sich durch derart plumpe Vertuschungsmanöver täuschen. »Ich zeige es dir«, sagte sie, »aber überleg dir gleich, was du Donovan erzählen willst, wenn er dich ausquetscht. Ich weiß, dass ihr Quäker nicht lügen dürft, aber gegen eine kleine Flunkerei für einen guten Zweck dürfte eigentlich niemand etwas haben. Gott wird dich sicherlich nicht dafür verurteilen, meinen Bruder angelogen zu haben, oder? Und wenn die Haymakers dich dafür verurteilen, dann …« Sie verkniff sich weitere Bemerkungen über die Familie von Honors Ehemann.
    Â»Ich habe von Freunden gehört, die sich die Augen verbinden ließen, damit sie die Menschen nicht sehen konnten, denen sie halfen«, bemerkte Honor nachdenklich. »So konnten sie die Frage, ob sie die betreffenden Personen gesehen hätten, ehrlich mit Nein beantworten.«
    Â»Als würde Gott solche Spielchen nicht auf der Stelle durchschauen«, schnaubte Belle. »Ich finde, die Wahrheit so zu verdrehen ist schlimmer, als für eine gute Sache zu lügen.«
    Â»Vielleicht.«
    Das Kind wimmerte jetzt nicht mehr, sondern weinte laut. Das Geräusch kam vom Wanddurchbruch neben dem Herd. Belle konnte durch das Loch in den dahinter liegenden Schuppen greifen und Holz holen, ohne das Haus verlassen zu müssen. Obwohl eine schwere Decke vor dem Loch hing, damit es in der Küche nicht zog, waren die

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