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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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hat?«
    Â»Vielleicht.«
    Â»Honor Bright, was bist du nur für ein Unschuldslamm«, schimpfte Belle. »Nur weil die Quäker sagen, dass vor Gott alle gleich sind, heißt das noch lange nicht, dass sie es auch auf Erden sind.«
    Honor senkte den Kopf.
    Belle zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder ihrer Zeitung zu. »Ich für meinen Fall ziehe ein ordentliches Kirchenlied jederzeit dem Schweigen vor.« Sie begann zu summen und schaukelte im Takt zu einer einfachen, sich ständig wiederholenden Melodie.
    Später ließ Belle Honors Truhe von ein paar Nachbarjungen nach unten tragen, damit Honor abfahrbereit war, sobald Adam Cox eintraf. Nach dem Essen saßen die beiden Frauen zusammen im Laden und warteten auf ihn. Obwohl die Geschäfte am Sonntag geschlossen waren, kamen viele Leute vorbeispaziert und schauten neugierig in die Fenster.
    Â»Danke für deine Hilfe«, sagte Belle zu Honor. »Jetzt habe ich wieder aufgeholt und bin mit der Arbeit auf dem Laufenden. Bis September sollte es ruhig bleiben, aber dann kommen sie mit den Winterhauben und wollen, dass ich ihnen neuen Putz draufnähe.«
    Â»Ich bin dir sehr dankbar, dass ich hierbleiben durfte.«
    Belle winkte ab. »Keine Ursache, Schätzchen. Komisch, normalerweise ist mir Gesellschaft immer unangenehm, aber mit dir kann man es aushalten. Vor allem, weil du nicht viel redest. Sind alle Quäkerinnen so schweigsam wie du?«
    Â»Meine Schwester war es jedenfalls nicht.« Honor krampfte die Hände ineinander, damit sie beim Gedanken an Grace nicht zitterten.
    Â»Also, du bist mir jederzeit willkommen, Honor. Bei deinem nächsten Besuch zeige ich dir, wie man Hüte macht. Und jetzt habe ich noch etwas für dich.« Belle ging zu einem Regal hinter der Ladentheke und zog die graugelbe Haube heraus, an der Honor am Tag zuvor gearbeitet hatte. »Ein neues Leben verlangt nach einer neuen Kopfbedeckung. Und diese Haube wartet auf ein Abenteuer.« Als Honor sich zierte, die Haube anzunehmen, drückte Belle sie ihr einfach in die Hände. »Das ist das Mindeste, was ich als Bezahlung für all deine Arbeit tun kann. Die Haube steht dir bestimmt, komm, probier sie einfach mal auf.«
    Zögernd nahm Honor ihre alte Haube ab. Obwohl ihr das Grau der Außenseite gefiel, glaubte sie nicht, dass die gelbe Innenkrempe ihr stehen würde. Doch als sie in den großen Spiegel an der Ladenwand blickte, stellte sie erstaunt fest, dass Belle recht hatte. Die gelbe Krempe war wie ein zarter Lichtkranz, der ihr Gesicht aufleuchten ließ.
    Â»Na, also«, sagte Belle zufrieden. »Jetzt siehst du elegant aus, wenn du nach Faithwell kommst, und vielleicht sogar ein bisschen modern. Hier ist noch ein gelber Stoffrest. Für ein Futter reicht er nicht mehr, deshalb kann ich nichts damit anfangen. Aber ich weiß, dass ihr Quilterinnen hinter jedem Stofffetzen her seid.«
    Obwohl sie den Gedanken selbst albern fand, fragte sich Honor, ob es an der neuen Haube lag, dass Adam Cox sich ihr gegenüber so reserviert gab.
    Als sie den Wagen aus Richtung Norden näher kommen hörten, traten Honor und Belle vor die Ladentür, um Adam Cox zu begrüßen. Honors Magen zog sich zusammen. Ihr graute davor, Adam Cox in aller Ausführlichkeit vom Tod seiner Verlobten berichten zu müssen, denn beim Anblick seiner Trauer würde auch ihr eigener Schmerz wieder aufflammen. Gleichzeitig freute sie sich aber darauf, ein vertrautes Gesicht zu sehen. Als Adam langsam und bedächtig vorm Laden vorfuhr und den Wagen zum Stehen brachte, trat Honor ihm erwartungsvoll entgegen, stutzte aber beim Anblick seiner versteinerten Miene. Sie hatte den Eindruck, als sei er in Gedanken ganz woanders und kenne sie gar nicht. Trotzdem überwand sie sich und begrüßte ihn freundlich: »Guten Tag, Adam, ich freue mich, dich zu sehen.«
    Adam Cox stieg vom Wagen. Honor hatte nie ganz verstanden, was Grace an diesem Mann gefunden hatte. Er war hochgewachsen, hatte die hängenden Schultern eines Kaufmanns und einen Backenbart, der ihm bis zum Kinn reichte. Zu seiner nüchternen Kleidung trug er einen Hut mit breiter Krempe. Als er auf die Veranda trat, nickte er Honor zu, statt sie wie ein Familienmitglied zu umarmen. Er schien sich nicht wohl in seiner Haut zu fühlen, und noch bevor er das erste Wort sagte, wusste Honor, dass sie es nicht leicht miteinander haben würden. Sie waren weder durch

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