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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Verwandtschaft noch durch Liebe verbunden, nur die Umstände und der Tod von Grace hatten sie zusammengebracht. Honor spürte, wie ihr die Tränen kamen, und kämpfte gegen sie an.
    Â»Auch ich freue mich, dich zu sehen, Honor«, sagte Adam, doch erfreut klang es eigentlich nicht.
    Â»Danke, dass du mich abholen kommst«, erwiderte Honor mit erstickter Stimme.
    Belle beobachtete sie mit vor der Brust verschränkten Armen. Anscheinend hatte sie sich bereits eine Meinung über Adam Cox gebildet, doch sie blieb höflich. »Mein aufrichtiges Beileid zum Tod Ihrer Auserwählten, Sir«, sagte sie. »Gott macht es uns nicht immer leicht im Leben, so viel steht fest. Doch jetzt müssen Sie sich um Honor kümmern, sie hat verdammt viel durchgemacht.«
    Adam starrte sie an.
    Â»Außerdem näht keine Frau in dieser Stadt besser als sie«, fügte Belle hinzu und wandte sich dann an Honor. »Schade, Honor, ich fürchte, wir werden nicht mehr viel voneinander sehen. Faithwell liegt näher an Oberlin als an Wellington, sicher wirst du deine Einkäufe in Zukunft dort erledigen. Doch nimm dich in Acht vor den Leuten in Oberlin: Sie haben zu allem eine Meinung, die sie dir sehr freimütig mitteilen. Falls du sie eines Tages leid sein solltest, komm zurück, hier gibt es immer Arbeit für dich. Ja, was ist das denn?« Honor weinte. Belle nahm sie in die Arme und zog sie fest an ihren knochigen Körper. Für eine so dünne Frau war sie erstaunlich stark.
    Die Straße, die in Richtung Norden aus Wellington herausführte, war breiter und gepflegter als die, die Honor mit Thomas von Hudson aus genommen hatte. Die gerodeten Streifen am Straßenrand waren ebenfalls breiter, sodass der Wald nicht so bedrohlich nah wirkte. Außerdem tauchten am Weg immer wieder Gehöfte auf, Mais- und Haferfelder und Wiesen, auf denen Kühe weideten.
    Schon nach einer Meile erfuhr Honor den Grund für Adams abweisendes Benehmen: In knappen Worten teilte er ihr mit, dass sein Bruder Matthew vor drei Wochen an der Schwindsucht gestorben sei. Die Krankheit war der Grund gewesen, warum Adam seinem Bruder überhaupt nach Ohio gefolgt war, da dieser Hilfe im Laden gebraucht hatte.
    Â»Es tut mir so leid«, sagte Honor.
    Â»Wir haben damit gerechnet, doch ich wollte Grace in meinen Briefen nicht damit belasten.«
    Â»Wie geht es der Witwe von Matthew?«
    Â»Abigail fügt sich dem Willen Gottes. Sie hat einen starken Charakter und kommt schon zurecht. Jetzt erzähl mir von Grace.«
    In wenigen Sätzen berichtete Honor von der Krankheit und dem Sterben ihrer Schwester, dann schwiegen sie wieder. Es war ein angespanntes Schweigen, in dem Honor das Gewicht nicht gestellter Fragen und unausgesprochener Meinungen spürte. »Was habe ich mit der Schwester zu tun, wenn es keine Ehefrau mehr gibt?« Sicher ging Adam Cox vor allem diese Frage immer wieder durch den Kopf, doch weil er ein ehrlicher und ehrenwerter Mann war, würde er seine Beinahe-Schwägerin natürlich nicht im Stich lassen.
    Adam sah Honor an. »Ist die Haube neu?«
    Honor wunderte sich, dass Adam sich für ihre Kleidung interessierte. »Sie … sie ist ein Geschenk von Belle«, stotterte sie verunsichert.
    Â»Ich verstehe. Dann hast du sie nicht selbst genäht?«
    Â»Stimmt etwas nicht mit ihr?«
    Â»Stimmen? Sie ist anders als das, was du sonst trägst – was eine Freundin normalerweise trägt.« Es war seltsam, so weit von zu Hause entfernt den vertrauten Dorset-Akzent zu hören. Adam räusperte sich. »Abigail, Matthews Witwe, hat nicht mit dir gerechnet. Ich übrigens auch nicht. Wir wussten nicht, dass du nach Ohio kommst, bis uns die Putzmacherin vor ein paar Tagen geschrieben hat, dass du bei ihr bist.«
    Â»Hast du denn den Brief von Grace nicht erhalten? Sie hat dir sofort geschrieben, nachdem ich mich entschlossen hatte, sie zu begleiten. Und sie hat den Brief auch sofort abgeschickt – noch am selben Tag.« Honor fügte immer mehr Informationen hinzu, als könne der Brief plötzlich aus dem Nichts auftauchen, wenn sie nur genug über ihn redete.
    Â»Nicht alle Briefe kommen an, Honor. Oder sie brauchen sehr lange, manchmal länger als die Person, die in dem Brief angekündigt wird. Bis wir einen Brief aus England erhalten, sind die Nachrichten in ihm bereits über einen Monat alt. Du hast deinen Eltern sicher geschrieben,

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