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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Sklavenhaltung und Baumwolle ein. Der Gedanke schien ihr so naheliegend und einleuchtend, dass sie ihn gleich loswerden musste, und so ergriff Honor zur Verblüffung der Haymakers beim Abendessen das Wort, obwohl niemand sie etwas gefragt hatte. Beim Essen herrschte wie immer Stille, denn die Haymakers redeten während der Mahlzeiten nicht viel. Weil Honor so darauf brannte, den anderen ihre Gedanken mitzuteilen, in der Kunst der Gesprächsführung aber völlig unerfahren war, fiel sie einfach mit der Tür ins Haus: »Vielleicht sollten wir alle ein wenig mehr für Stoff bezahlen, dann könnten die Baumwollanbauer das Geld nehmen, um die Sklaven ordentlich zu entlohnen. In dem Moment wären sie dann keine Sklaven mehr, sondern Arbeiter.«
    Die Haymakers starrten sie an.
    Â»Ich würde gerne einen Penny mehr für den Meter zahlen, wenn ich wüsste, dass ich damit etwas für die Abschaffung der Sklaverei tue«, fügte Honor hinzu.
    Â»Ich wusste gar nicht, dass du genügend Pennys übrig hast, um dir so viel Großzügigkeit zu leisten«, bemerkte Dorcas spitz.
    Judith Haymaker reichte ihrem Sohn den Teller mit Speck. »Wenn Adam Cox die Stoffpreise erhöhen würde, könnte er seinen Laden bald schließen«, sagte sie. »Heutzutage muss man mit jedem Penny rechnen. Außerdem geht es den Südstaatlern völlig gegen die Natur, einem Sklaven Lohn zu zahlen. Eher würden sie den Baumwollanbau einstellen.«
    Â»Wenn ein Fremdling bei dir in eurem Lande wohnen wird, den sollt ihr nicht schinden. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und sollst ihn lieben wie dich selbst.« Obwohl sie die Worte schon oft gehört hatte, gelang es Honor nicht, sie mit dem gebotenen Nachdruck vorzutragen.
    Judith runzelte die Stirn. »Du musst mir nicht sagen, was in Leviticus steht, Honor, ich kenne meine Bibel.«
    Honor senkte den Blick und schämte sich für den Versuch, eine ernsthafte Diskussion über das Thema anzufangen.
    Â»Wir kommen aus einem Sklavenstaat«, fuhr Judith fort. »Wie viele andere Freunde sind wir vor zehn Jahren von North Carolina nach Ohio gezogen, weil wir nicht mehr unter Sklavenhaltern leben wollten. Wir wissen deshalb sehr genau, wie die Südstaatler denken.«
    Â»Bitte entschuldigt. Ich wollte mir kein Urteil anmaßen.«
    Â»Einige Bauern im Süden haben ihre Sklaven freigelassen oder ihnen erlaubt, sich freizukaufen«, räumte Jack ein, »aber das waren Ausnahmen. Außerdem haben die freigelassenen Neger dann Probleme, Arbeit zu finden. Viele lassen ihre Familien zurück und kommen in den Norden, um sich in Orten wie Oberlin, das toleranter ist als die meisten anderen amerikanischen Städte, anzusiedeln. Doch selbst in Oberlin bleiben die Schwarzen unter sich, und entlaufene Sklaven aus dem Süden sind auch dort nicht völlig sicher. Deshalb sind wir für die Kolonisation. Es scheint die bessere Lösung zu sein.«
    Â»Was ist die Kolonisation?«
    Â»Die Neger stammen ursprünglich aus Afrika; dort, in ihrer Heimat, wären sie sicher viel glücklicher.«
    Honor schwieg und dachte über Jacks Behauptung nach. Woher wollte er wissen, was die Neger glücklich machte? Ob er sie gefragt hatte?
    In der folgenden Woche bekam Honor selbst Gelegenheit, diese Frage zu stellen. Jack fuhr mit dem großen Wagen nach Oberlin, weil er den Maishäcksler reparieren lassen musste, und Honor begleitete ihn. Noch vor zehn Tagen hätte sie sich nicht vorstellen können, ohne Hilfe durchs Zimmer zu laufen, von einem Ausflug in die Stadt gar nicht zu reden. Aber nachdem das Fieber abgeklungen war, hatte sie sich, wie die anderen ihr vorausgesagt hatten, schnell erholt. Jetzt freute sie sich, endlich wieder nach Oberlin zu kommen. Adam hatte ihr versprochen, Jack nach dem Ende der Erntesaison zu fragen, ob sie an Sechsttagen gelegentlich im Laden aushelfen könne. Allerdings war Honor unsicher, wie ihr Mann darauf reagieren würde. Vielleicht war er der Ansicht, dass sie lieber lernen solle, wie man mit Kühen umging, statt mit Stoffen zu hantieren. Judith hatte bereits angekündigt, ihr demnächst das Melken beizubringen, wovor es Honor graute, weil ihr die Kühe so groß und fremd vorkamen. Wegen ihrer Krankheit hatte sie ihre Arbeit bislang auf Haus und Garten beschränken dürfen und hatte den Tieren des Hofes, die in ihren Augen nichts anderes taten

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