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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Hautfarbe war, die das Baby faszinierte, oder einfach ihre Fremdheit. Vielleicht war das ja ein und dasselbe.
    Honor räusperte sich. »Ich muss gehen«, sagte sie. »Es tut mir leid«, fügte sie nach einer kurzen Pause hinzu.
    Mrs Reed drehte sich halb zu ihr um, behielt die Augen aber auf dem Brei. Ihre Brille war schon wieder beschlagen. »Bei mir müssen Sie sich nicht entschuldigen«, sagte sie, wobei sie rhythmisch den Rücken den Babys klopfte. »Sie müssen sich bei den Flüchtlingen entschuldigen, die Ihre Hilfe brauchen. Viel Glück dabei, Honor Bright.«

Belle Mills’ Putzmacherei
    Main Street
    Wellington, Ohio
    6. April 1851
    Liebe Honor,
    ich ignoriere Deinen letzten Brief, schick mir lieber einen neuen, der nicht so klingt, als hätte Dir Deine Schwiegermutter beim Schreiben über die Schulter geschaut.
    Außerdem sollte man gewisse Dinge niemals in einen Brief schreiben. Wenn er in die falschen Hände gerät, könnte es gefährlich werden. Bitte richte das Mrs Haymaker von mir aus.
    Ob es Dir gefällt oder nicht, Du wirst in Wellington immer eine Freundin haben.
    In alter Treue,
Deine Belle Mills

Stroh
    Einen Monat lang verebbte der Flüchtlingsstrom. Honor hatte kaum noch Kontakt zu Menschen außerhalb Faithwells. Donovan machte seine Drohung nicht wahr, gelegentlich am Hof vorbeizureiten. Es trafen keine Briefe von ihren Eltern oder Biddy ein. Nach Oberlin kam sie nicht, noch nicht einmal, als Abigail ihr Baby bekam und Adam gut ein wenig Hilfe im Laden hätte brauchen können. Jack bot ihr auch nicht an, ihn beim Käseausliefern zu begleiten. Honor beklagte sich nicht. Sie widmete sich mit großem Eifer der Gartenarbeit, stellte den Quilt für Dorcas fertig und begann einen neuen. Und ihr Bauch wuchs.
    Nur manchmal holte sie den Brief von Belle Mills hervor, las ihn noch einmal und lächelte.
    Als Honor eines Nachmittags im Garten Kürbisse auspflanzte, nahm sie im Augenwinkel eine Bewegung wahr. Sie schaute durch den Obstgarten zum Wielandwald, wo eine Gestalt geduckt von Baum zu Baum huschte. Honor lief zum Waldrand und rief leise. Hinter den Brombeerbüschen, bei denen Honor und Dorcas im letzten Spätsommer von dem Wespenschwarm überrascht worden waren, humpelte ein junger Mann hervor. Er zitterte am ganzen Körper, ob vor Angst oder aus einem anderen Grund, konnte Honor nicht sagen. Gerade als sie zu der Erklärung ansetzen wollte, dass sie ihm nicht helfen könne, fiel ihr Blick auf seinen Fuß. Ihr Atem stockte.
    Â»Bitte, Ma’am, können Sie mir helfen?« Der Mann lehnte am Stamm eines Ahornbaums. »Mir geht’s nicht so gut.«
    Â»Was ist passiert?«
    Â»Bin in eine Falle getreten.«
    Jemand hatte bereits versucht, die Wunde mit Kiefernharz zu behandeln, doch vergeblich. Der Fuß des jungen Mannes war geschwollen, Blut und Eiter sickerten aus der Wunde. Von dem süßlich faulen Geruch musste Honor würgen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Belle den Jungen in diesem Zustand weitergeschickt hätte. »Wo kommen Sie her?«
    Â»Greenwich. Dort haben sie mir gesagt, ich solle nach Norwalk gehen. Ist das hier Norwalk?«
    Norwalk lag zwanzig Meilen weiter westlich. »Nein. Ich … Hier bei uns können Sie nicht bleiben.«
    Der junge Mann starrte sie aus fiebrigen Augen an.
    Honor seufzte. »Warten Sie. Ich hole etwas Wasser.« Sie eilte zum Brunnen. Als sie den Eimer hochzog, um den Blechbecher zu füllen, trat Judith auf die hintere Veranda. »Du hast versprochen, keinen Flüchtlingen mehr zu helfen.«
    Honor wurde rot. »Ich gebe ihm nur etwas Wasser, ich werde ihn nicht verstecken.« Judith presste den Mund zu einem grimmigen Strich zusammen. »Er ist verletzt«, fügte Honor hinzu. »Sein Fuß ist in eine Falle geraten und hat sich bereits entzündet. Kannst du ihn dir anschauen? Vielleicht können wir etwas für ihn tun?«
    Â»Wir lassen uns nicht in die Probleme der Farbigen hineinziehen.«
    Â»Aber …«
    Â»Wir haben das bereits besprochen, Honor, und du hast zugestimmt, dass wir in dieser Familie keinen Flüchtlingen mehr helfen. Was immer wir als Freunde fühlen mögen, es wäre gegen das Gesetz unserer Regierung, und wir können uns keinen Gesetzesverstoß leisten. Willst du, dass dein Mann im Gefängnis landet? Und du selbst auch?«
    Â»Wenn du dir den Mann nur ansehen würdest, würde

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