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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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obwohl sie ihm eigentlich nicht traute. Wenn sie erst auf dem Pferd saß, musste sie die Arme um ihn legen und sich an seinen Rücken pressen, und sie wusste, welche Gefühle das in ihr wecken würde. Doch ein kurzer Gedanke an den Mann im Wald, den sie im Stich gelassen hatte, genügte, und schon fuhr ihr Fuß in den Steigbügel. Sie nahm Donovans Hand und ließ sich hochziehen.
    Â»Wohin geht’s?«
    Â»In den Wielandwald, direkt neben unserem Hof. Aber …« Honor wollte ihm nicht verraten, dass niemand von ihrem nächtlichen Ausflug wusste, obwohl das eigentlich offensichtlich war, denn sonst wäre sie kaum allein auf der Straße unterwegs. »Bitte reite nicht durch Faithwell oder am Hof vorbei. Ich will nicht, dass sie uns hören. Wir können das Pferd in der Nähe des Dorfes lassen und den Rest des Weges zu Fuß gehen.«
    Donovan drehte sich zu ihr um. »Ist ein Nigger im Wald?«
    Â»Ja.«
    Â»Vor einem Monat hast du mir erzählt, dass du mit den entlaufenen Sklaven nichts mehr zu tun haben willst.«
    Â»Er kommt aus Greenwich und hat sich in unsere Gegend verirrt. Ich hatte nicht vor, mich einzumischen, aber er ist verletzt und braucht einen Arzt.«
    Donovan schnaubte. »Und du glaubst allen Ernstes, ich bringe ihn zu einem Arzt?«
    Sie antwortete nicht. Sie saßen auf dem Pferd, das unruhig seitwärts tänzelte, während es auf ein Signal des Reiters wartete.
    Â»Honor, du weißt, dass ich ihn ausliefern werde. Das und nichts anderes.«
    Honor seufzte. »Ja, ich weiß. Aber sonst stirbt er. Und es ist besser, wenn er lebt, selbst als Sklave.«
    Â»Und warum bittest du ausgerechnet mich?«
    Sie antwortete nicht.
    Â»Du lebst in einer Stadt voller Quäker und bittest mich um Hilfe? Du musst wirklich Probleme haben, Schätzchen.«
    Â»Die Freunde in Faithwell sind schon in Ordnung. Die meisten würden alles tun, um zu helfen. Es ist nur … die Haymakers haben ihre Überzeugungen der Umstände wegen zurückgestellt, und sie haben in der Gemeinde viel Einfluss.« Unwillkürlich hatte Honor sich an ihn gepresst, und die kleine harte Kugel ihres Bauches drückte in seinen Rücken. Donovan spürte es und erstarrte, dann beugte er sich vor, um Abstand zwischen sich und Honor zu bringen.
    Â»Na, gut«, sagte er schließlich. »Halt dich fest.« Er riss die Zügel herum, schnalzte mit der Zunge und ritt los.
    Als sie ihn fanden, saß er bewegungslos, die Beine weit von sich gestreckt, an eine Bur-Eiche gelehnt. Neben ihm stand der Blechbecher, den Honor ihm nachmittags gebracht hatte. Donovan ließ Honor mehrere Bäume weit entfernt warten und hielt seine Laterne vor das verzerrte Gesicht des entflohenen Sklaven. Honor schloss die Augen, konnte aber immer noch den Lichthof der Laterne und die im Dunkeln bleckenden Zähne des Mannes sehen.
    Donovan kam zurück und blickte in Honors erschüttertes Gesicht. Als sie sich in seine Arme schmiegte, sagte er nichts, sondern hielt sie einfach fest und ließ sie an seiner Brust weinen. Auch als ihre Tränen längst versiegt waren, klammerte Honor sich weiter an ihn. Sie legte die Wange an seine Brust und sog den durchdringenden Geruch nach Holz und Rauch ein. Da spürte sie etwas Hartes an seinem Hals: Es war der Schlüssel zu ihrer Truhe. Donovan trug ihn immer noch.
    Wenn er mich jetzt fragen würde, ob ich mit ihm in den Westen gehe, würde ich Ja sagen, dachte sie. Ich spüre das Licht in ihm.
    Doch Donovan fragte nicht. »Honor, es wird hell«, sagte er schließlich. »Du solltest jetzt heimgehen, bevor sie merken, dass du weg warst.«
    Sie nickte und ließ ihn los, so schwer es ihr auch fiel. Um ihn nicht ansehen zu müssen, wischte sie sich mit dem Ärmel das Gesicht ab.
    Â»Soll ich ihn begraben?«
    Â»Nein. Sie sollen sehen, was sie angerichtet haben. Was wir angerichtet haben.«
    Â»Weißt du, wahrscheinlich wäre er sowieso gestorben, selbst wenn du ihm einen Arzt besorgt hättest. Riecht nach Wundbrand.«
    Honors Augen funkelten. »Wir hätten ihm helfen müssen. Dann wäre er wenigstens nicht ganz allein im Wald gestorben.«
    Donovan sagte nichts mehr, sondern ging mit ihr bis an den Rand des Obstgartens, wo die ersten Apfelbäume standen. Er berührte kurz ihren Arm und verschwand dann zwischen den Bäumen, um in einem Bogen um das Dorf zu seinem Pferd

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