Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
das auch nicht aufhörte, als er die Tür aufriss und ins Zimmer stürmte, wo sie, nur mit ihrem Hemd bekleidet, zusammengekrümmt auf dem Bett lag.
»Mein Gott, Kate, bist du verletzt? Was ist los?«, fragte er und befürchtete wie jeder brave Ehemann, dass sich irgendein Eindringling gewaltsam Zutritt zu seinem Zuhause verschafft und seinen kostbarsten Schatz geschändet hatte.
Ein hastiger Blick machte ihm jedoch deutlich, dass das Zimmer unberührt, ja sogar noch ordentlicher aufgeräumt war als sonst. Er setzte sich neben sie auf das Bett. Sie hob den Kopf und sah ihn an, versuchte ihm zu antworten, vermochte aber nur den Kopf zu schütteln. Ihre Augen waren vom Weinen gerötet und geschwollen. Mit einer Hand umklammerte sie das billige Amulett aus Zinn, das ihr Endor geschenkt hatte, so wie sich eine Ertrinkende an eine Rettungsleine klammert – ein Bild purer Verzweiflung. Das ist meine Schuld, dachte er kläglich. Er war zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen, hatte ihr nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt, hatte sie für stärker gehalten, und das nur, weil sie sich niemals beklagt hatte.
Er strich ihr eine feuchte Haarsträhne aus der Stirn, legte eine Hand unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht an.
»Was ist denn los, mein Engel? Hast du eine schlimme Nachricht erhalten? Hast du dir weh getan?« Erst jetzt nahm er einen ungesunden, süßlichen Geruch wahr. »Ist dir schlecht?«
Dann sah er das Kleid, das zu einem Haufen zusammengeknüllt auf dem Boden lag, und den dunkel schimmernden, karminroten Fleck.
»Ich hole einen Arzt. Bleib hier. Ich bin gleich wieder da.«
Doch sie erhob sich vom Bett und streckte die Hand aus, um ihn am Ärmel festzuhalten. Ihre Stimme war vom vielen Weinen heiser.
»Nein. Es ist zu spät. Was könnte ein Arzt jetzt noch tun?«
»Zu spät? Was soll das heißen?« Nur langsam begann er zu begreifen.
Sie holte tief Luft, so als könnte sie dadurch Kraft gewinnen. »Es war ein Kind, John. Ich habe unser Baby verloren.«
»Aber …«
»Ich hätte es dir sagen sollen«, fügte sie leise hinzu. »Aber ich wollte warten, bis ich ganz sicher war«, und schon begannen ihre Tränen wieder zu fließen.
Gott, wie er diese Tränen hasste! Er konnte es einfach nicht ertragen, sie weinen zu sehen.
»Das Baby ist mir egal«, sagte er. Er zog sie in seine Arme und küsste sie auf den Scheitel. Sie aber entzog sich ihm und sah ihn an, forschte in seinen Augen, so als versuche sie in seine Seele zu blicken und als missfiele ihr das, was sie dort sah. Tiefe Falten erschienen auf ihrer Stirn, und die schwache blaue Linie trat jetzt deutlich hervor. Er konnte sie pulsieren sehen.
»Das Baby ist dir also egal!«
»So habe ich das nicht gemeint. Natürlich ist es mir wichtig. Aber wir müssen uns damit abfinden, dass seine Seele zu Gott zurückgekehrt ist. Du bist mir wichtiger.«
Ihr Gesicht blieb eine Maske des Kummers, aber dahinter verbarg sich noch etwas anderes – Konzentration vielleicht –, als sie ihn fragte: »Dann glaubst du also nicht, dass die Seele des Babys jetzt in der Vorhölle ist?«
»Ich glaube generell nicht an die Existenz einer Vorhölle. Das weißt du doch. Jede menschliche Seele ist von Beginn an bei Gott. Die unschuldigen Seelen kehren einfach zu Gott zurück. Und was könnte unschuldiger sein als ein ungeborenes Kind?«
Das entsprach nicht gerade dem Glaubenssatz der heiligen Mutter Kirche, aber es ergab mehr Sinn als das, was die Kirche verkündete – und deshalb tröstete es sie. Sie stieß ein erschöpftes Seufzen aus, aber ihre Tränen versiegten. Er hatte also das Richtige gesagt. »Meinst du, es geht? Sollten wir nicht trotzdem einen Arzt rufen?« Er sah das blutbefleckte Kleid an. »Wird es von allein zu bluten aufhören? Hast du Schmerzen?«
»Was könnte ein Arzt denn schon tun?«
Er widersprach ihr nicht.
»Merta. Ich werde Merta holen. Oder Mistress Poyntz. Sie werden wissen, was zu tun ist.«
Sie legte ihre Hand auf seinen Arm, so als wolle sie ihm Zuversicht und Trost spenden.
»John, wir können nichts tun. Das ist der Lauf der Natur«, sagte sie schniefend. Eine lange Pause folgte. »Es tut mir leid … aber ich … habe es mir … so sehr gewünscht.« Jedes Wort strengte sie an, und sie begann erneut zu weinen.
Er nahm sie wieder in die Arme, wobei ihm zum ersten Mal auffiel, wie zerbrechlich sie war. Er hatte sie immer für eine starke Frau gehalten. Hatte sie abgenommen? Das schien kaum möglich, hatte sie in letzter
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