Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
für ein Gesicht machen würde, wenn sie es ihm sagte. John, du wirst Vater. Nein, so direkt durfte sie es ihm nicht sagen. Der Arme fiel sonst noch in Ohnmacht. John, ich glaube, ich bin schwanger – aber ich bin mir noch nicht ganz sicher. Es sind jetzt zehn Wochen. Ja, das war besser. Weniger endgültig. Das gab ihm Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen.
Sie kratzte den letzten Rest grüne Farbe weg und wischte sich ihre Hände an der Schürze ab. Vielleicht will er überhaupt nicht Vater werden? Er würde ihr das niemals sagen, er nahm Rücksicht auf ihre Gefühle. Aber sie würde es ihm anmerken, es in seinen Augen lesen.
Eine weitere Welle des Schmerzes traf ihren Rücken und ihre Leistengegend – vertraut, aber beharrlicher. Es fühlte sich fast an, als ob sie … sie stand vorsichtig auf, ging auf den Abort und sah nach, ob sie blutete. Nein, da war nur ein kleiner heller Fleck, mehr nicht. Das sei durchaus nichts Ungewöhnliches, hatte Mistress Poyntz gesagt, als sie ihr geschildert hatte, womit sie im Verlaufe einer Schwangerschaft rechnen musste. Sie setzte sich auf den Schemel und wartete einige Minuten, dann sah sie noch einmal nach. Nein, kein weiteres Blut. Wahrscheinlich war es nur eine Warnung ihres Körpers, dass sie keine schweren Arbeiten mehr verrichten sollte.
Sie trat ans Fenster, um den Kübel mit Wischwasser zu leeren. Bevor sie den Inhalt auf die Straße kippte, sah sie nach links und rechts und rief in ihrem noch unsicheren Flämisch: »Aufgepasst da unten!« Seit sie einmal aus Versehen einem Gecken, der gerade aus seiner Kutsche gestiegen war, ihr Spülwasser über den Kopf gegossen hatte, achtete sie sehr darauf, ob zufällig jemand unter dem Fenster vorbeiging. Sie unterdrückte ein Kichern, als sie sich an seinen entrüsteten Gesichtsausdruck erinnerte, und an die Eireste, die an seinem spitzen Bart und den feinen gestärkten Ärmelmanschetten hingen. John gelang es, den äußerst wütenden Mann zu besänftigen. Sie rief eine Entschuldigung zu ihm hinunter, einen kurzen Moment lang hatte sie gefürchtet, das unglückselige Opfer ihrer Unachtsamkeit könnte ihren Mann zum Duell fordern. Man stelle sich nur vor, ein Mann musste einen anderen töten – oder wurde getötet –, nur weil seine Ehefrau mit einem Kübel Schmutzwasser ungeschickt umgegangen war. Zum Glück hatten sich die beiden Männer nur ein Wortgefecht geliefert und sich nicht mit Schwertern duelliert, auch wenn John ihr später mit einer für ihr Empfinden etwas übertriebenen Tapferkeit versichert hatte, dass er sehr wohl mit einer Klinge umgehen konnte.
Es blieb ihr noch genügend Zeit, um sich frisch zu machen. Das Geschäft des Juweliers auf der anderen Straßenseite warf einen kurzen Schatten, und das Emblem in Form eines übergroßen Diamanten aus Glas glitzerte noch in der Sonne. Sie goss ein wenig frisches Wasser in ihre Waschschüssel, schäumte etwas Seife auf und verteilte den Schaum auf ihren Händen und Armen und auf ihrem Gesicht. Gott sei Dank hatte Quentin Massys Bleirohre und eine Handpumpe in seinem Atelier installiert – ein Luxus, über den nur wenige Menschen verfügten. Sie tranken dieses Wasser jedoch nie, da sie das frische, klare Nass aus dem öffentlichen Brunnen, der nur ein paar hundert Meter entfernt war, dem abgestandenen Geschmack des Leitungswassers vorzogen. Zum Waschen aber war es wunderbar, und wenn das Baby erst einmal da war, würde es ein Segen sein.
Sie fuhr sich gerade mit dem Kamm durch die Haare, als sie einen heftigen Schmerz verspürte, diesmal so stark, dass er ihr die Luft nahm. Sie griff Halt suchend nach dem Bettpfosten. Das war keine Warnung mehr. Vielleicht sollte sie nicht zum Markt, sondern lieber zu Mistress Poyntz gehen. Sie würde bestimmt wissen, was diese Schmerzen zu bedeuten hatten.
Ein weiterer Stich. Sie beugte sich vornüber.
Und noch einer.
Etwas Warmes lief zwischen ihren Beinen herunter. In diesem Moment wusste Kate Frith, dass es nichts mehr zu feiern geben würde, wenn John nach Hause kam. Ein dritter Stich, und sie krümmte sich vor Schmerzen auf dem Boden zusammen.
John Frith hörte Kate schon schluchzen, als er sich noch am Fuße der Treppe befand. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, rannte er nach oben. Er hatte seine Frau noch nie weinen gehört. Weder als das Hochwasser immer weiter gestiegen war, noch während der langen Winternächte, als er merkte, dass sie großes Heimweh hatte. Und jetzt hörte er dieses entsetzliche Schluchzen,
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