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Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Titel: Die englische Ketzerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Vantrease
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So macht man keine Babys, dachte sie, während sie noch lange wach lag und ihm beim Schnarchen zuhörte.
    John war enttäuscht, weil William Tyndale, anders als er es sich erhofft hatte, nicht auf der Konferenz erschienen war. Es war ziemlich heiß, und Kate stand eingekeilt in einer übelriechenden Menschenmenge, die fast nur aus Männern bestand, vor den Türen des Audienzsaals und bemühte sich zu verstehen, was drinnen gesprochen wurde. John suchte indessen immer wieder die Menge ab, in der vergeblichen Hoffnung, seinen Freund doch noch zu entdecken. Die Enttäuschung machte ihn nicht gerade zum angenehmsten aller Zeitgenossen. Außerdem war er wütend, weil man die Konferenz in einen kleineren Saal verlegt hatte und das »Bekenntnis« am Ende ohne viel Federlesens zurückgewiesen worden war.
    »Das Volk sollte wohl weder die dürftigen Widerlegungen der Amtskirche noch Luthers überzeugende Argumente hören.«
    Trotz seiner Enttäuschung musste sie zugeben, dass er versuchte, ihr gegenüber sehr aufmerksam zu sein. Er bemühte sich so sehr um sie, dass sie sich fragte, ob sie ihm nicht langsam zur Last wurde.
    Sie saßen auf einer Bank im Schatten eines Lagerhauses am Ufer des Flusses und hielten nach einem Schiff Ausschau, das sie nach Hause bringen konnte. Sie aßen Brot und Wurst und tranken ein bitteres Gebräu, das John jedoch sehr zu schmecken schien. Der Geruch erinnerte Kate an das Brauhaus der Walshs. Sie rümpfte die Nase und nahm einen Schluck. Nun, zumindest war es etwas zu trinken, und sie hatte Durst.
    »Also, wenn man darüber einmal genauer nachdenkt: Warum hätte Tyndale eigentlich hierherkommen sollen? Ich meine, er wird doch wegen seiner religiösen Überzeugungen verfolgt, wäre es dann nicht dumm von ihm, bei einem Reichstag zu erscheinen, zu dem sich alle Würdenträger des Landes versammelt haben, um sich mit ebenden Doktrinen zu befassen, denen sie von vornherein feindselig gegenüberstehen?«
    »Sehr scharfsinnig beobachtet, meine liebe Ehefrau. Genau auf diese Art und Weise ging ihnen Jan Hus aus Böhmen in die Falle, nachdem man ihm zuvor sicheres Geleit zu einem päpstlichen Konzil versprochen hatte.« Er biss ein Stück von der Wurst ab. »Du isst ja gar nichts. Ist dir die Wurst zu kräftig gewürzt? Soll ich dir etwas anderes holen?«
    »Nein, John, sie schmeckt gut. Wirklich. Was ist mit Hus geschehen?«, fragte sie und aß einen kleinen Bissen, um ihn zu beruhigen.
    »Als er zu diesem Konzil kam, wurde er verhaftet und ohne jeden Prozess auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Luther hat von seinem böhmischen Vorgänger gelernt. Er wagt sich nur höchst selten aus dem protestantischen Sachsen heraus, wo er unter dem persönlichen Schutz des Prinzen steht.«
    »Wie kann man das Ganze dann ein Lutherisches Bekenntnis nennen, wenn Luther gar nicht da ist, um etwas zu bekennen?«
    »Er hat seine Zustimmung zu dem Dokument erteilt, das sein Freund Melanchthon verfasst hat.«
    Dies war die zweite große Enttäuschung für Kate gewesen. Sie war so neugierig, den großen Martin Luther und vielleicht sogar seine Frau zu sehen. Immerhin hieß es, dass Katharina von Bora ihn oft begleitete.
    »Wo lebt er? Ist das weit von hier? Glaubst du, wir könnten eine Audienz bei ihm bekommen?«
    »Man muss beim Papst um eine Audienz ersuchen«, sagte John, leerte seinen Krug und nahm dann ihren, der noch halb voll war, und ihre angebissene Wurst. »Ich habe gehört, dass Luther mit jedem spricht, der mit ihm über die Doktrin diskutieren will oder ihn auch nur um einen Gefallen bittet. Jetzt, da ich darüber nachdenke, vielleicht weiß ja er, wo sich Tyndale aufhält.«
    »Aber wenn du schon Tyndale nicht finden kannst, wie willst du dann Luther finden?«
    »Ganz einfach. Solange Luther sich in Sachsen aufhält, braucht er sich nicht zu verstecken. Ich habe mich einigen Mitgliedern der lutherischen Abordnung vorgestellt – wir hatten eine höchst interessante Diskussion über das Wesen der Gnade. Aber wie dem auch sei, von ihnen habe ich erfahren, dass Luther in einem alten Augustinerkonvent in Wittenberg lebt.«
    »Wie weit ist das weg von hier?«
    »Das weiß ich nicht genau. Es liegt irgendwo im Nordosten. Zu weit weg. Zumindest von hier aus.«
    Auch gut, dachte Kate. Sie hatte ohnehin genug von dem überwürzten Fleisch und dem bitteren deutschen Bier. Sie freute sich sogar schon wieder auf das Englische Haus. Zumindest schmeckte ihr dort das Essen. Aber zuerst mussten sie ein Schiff finden, das nach

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