Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
weg und schob ein paar der Bücher zur Seite, um an einer Ecke des Schreibtischs Platz für das Tablett zu schaffen. »Nein, mir geht es gut. Ich habe nur viel zu tun.«
»Alice hat das Tablett persönlich für dich zusammengestellt«, erklärte sie, als sie es abstellte.
Er nahm die Gänsefeder, tunkte sie ins Tintenfass.
»Soll ich dir beim Essen Gesellschaft leisten?«, fragte sie und bückte sich, um ein paar Bücher vom Stuhl zu nehmen.
»Fass nichts an«, fuhr er sie schroff an.
Sie sah, dass das Buch, das ganz oben lag, Tyndales Namen trug.
»Du arbeitest an einer Widerlegung von Master Tyndales Thesen? Ich dachte, du hättest sie schon vor Wochen fertiggestellt.«
»Das ist schon die nächste. Die Ketzer ruhen nicht, also darf auch ich nicht ruhen. Dieser Teufel Tyndale treibt auf dem Kontinent sein Unwesen und bewirkt nur Zerstörung. Ich muss ein Gegenmittel für das Gift herstellen, das aus seiner Feder fließt.«
Auf der sahnigen Suppe bildete sich bereits eine Haut, während sie langsam erkaltete.
»Master Tyndale macht doch gewiss auch einmal eine Pause, um zu schlafen oder etwas zu essen.«
»Dazu habe ich später noch genügend Zeit«, sagte er mit ruhiger Stimme. Margaret aber wusste, dass sie gerade seine Geduld auf die Probe stellte.
»Was ist mit dem Anliegen des Königs?«, fragte sie.
»Der König hat kein größeres Anliegen, als Ketzer zu verbrennen«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme.
Sie betrachtete die im Zimmer herumliegenden Bücher, hoffte, das ihre zu entdecken.
»Ich habe vom König die Genehmigung erhalten, meine Übersetzung zu veröffentlichen«, sagte sie.
»Ich weiß«, brummte er. »Ich habe ein Exemplar hier.« Er ließ seinen Blick kurz durch das Zimmer schweifen. »Irgendwo.«
Und schon hatte er sich wieder dem Dokument zugewandt, das vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Er schrieb schnell, hielt selten einmal inne, um zu überlegen oder ein Wort durchzustreichen, so als strömte das, was er zu sagen hatte, wie Regen mühelos auf das Papier.
»Es ist Freitag. Ich hatte gehofft, dass wir zusammen essen würden und … vielleicht über meine Übersetzung … sprechen könnten.«
Er blickte nicht einmal auf.
»Es werden noch andere Freitage kommen, Margaret. Wir werden später darüber reden.«
Auf diese schroffe Zurückweisung wusste sie nichts mehr zu erwidern.
22
Auf Erden ist kein Band so süß, keine Trennung so bitter wie in einer guten Ehe.
Martin Luther
K ate schrubbte auf Händen und Knien den Dielenboden ihres Schlafzimmers, als sie zum ersten Mal diesen ziehenden Schmerz in ihrem Rücken spürte.
»Das ist nichts«, sagte sie laut zu der Skizze mit der hässlichen alten Frau. Dann murmelte sie in die Stille hinein: »Wir sollten uns eine Katze anschaffen. Dann könnte ich wenigstens mit etwas Lebendigem sprechen.«
Wenn das Baby da ist, wirst du noch froh sein, wenn einmal Ruhe herrscht.
Jetzt hörte sie sogar schon Stimmen – und ihr Verstand übernahm nun offenbar beide Seiten des Gesprächs. Sie war wohl doch verzweifelter, als sie es sich eingestehen wollte.
Ich sollte Wiegenlieder üben. Dann wird John, wenn er einmal überraschend nach Hause kommen sollte, wenigstens nicht hören, wie seine Frau verrückte Selbstgespräche führt. Sie begann leise vor sich hin zu summen, bis ihr bewusst wurde, dass sie gar kein Wiegenlied kannte. Und sie wusste auch sonst nichts über Babys – überhaupt nichts. Vielleicht kannte John sich aus. Er schien alles zu wissen, obwohl sie der Ansicht war, dass man nicht alles in Büchern finden konnte.
Sie kratzte mit dem Fingernagel einen Klecks grüner Farbe von den polierten Dielenbrettern. Dieser Farbfleck ärgerte sie seit Wochen. Sogar John hatte sich über diesen Fleck beschwert. Sie wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn und schrubbte noch fester. Wenn sie sich beeilte, blieb ihr nach dem Putzen noch Zeit, sich frisch zu machen und zum Markt zu gehen. Im Geiste ging sie noch einmal ihre Einkaufsliste durch: eine Flasche guten französischen Wein – seit sie zum ersten Mal vermutet hatte, schwanger zu sein, hatte sie jede Woche ein Sixpencestück zurückgelegt –, Bienenwachskerzen, Obst und Käse, frisches Brot und vielleicht sogar ein wenig geräucherten Fisch. Außerdem einen Kuchen, ja, einen Kuchen mit Eiercreme vom Tortenbäcker am Ende der Hauptstraße. Das war zwar purer Luxus, aber sie hatten schließlich auch etwas zu feiern.
Sie versuchte sich vorzustellen, was John
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