Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
wäre.«
William sank auf ein Samtkissen, das auf einem Stuhl mit hoher Lehne lag, und tat so, als würde er an seinem Getränk nippen, während er mit wachsender Ungläubigkeit zuhörte. Die Kaufleute erklärten ihm, dass sie bereits seit Langem die Schriften Martin Luthers nach England einführten und dass sie jetzt einen Plan hätten, wie sie Kardinal Wolseys Verbot, das den Druck und die Verbreitung englischer Bibeln betraf, umgehen könnten. Sie schlugen vor, Tyndale solle das Evangelium auf dem Kontinent übersetzen und drucken lassen. Und was die Einfuhr nach England und die Verteilung betraf, nun, darum würden sie sich kümmern: gefälschte Ladungsverzeichnisse, einzelne Blätter der Heiligen Schrift in einem Ballen Tuch versteckt, ein Fass mit der Aufschrift »Mehl«, gefüllt mit Bibeln – das alles brauche William aber nicht zu interessieren.
William sah Monmouth an, dessen Grinsen jetzt von seinem Gesicht verschwunden war. Sein plötzlich ernstes Auftreten stand genau wie sein stämmiges Äußeres im krassen Gegensatz zu seinem modischen Gewand. Als er zu sprechen anfing, klang seine Stimme ruhig und fest.
»Dies alles ist jedoch nicht ohne Risiko für Euch, William. Wolseys Einfluss reicht weit über diese kleine Insel hinaus. Und es gibt auch noch andere. Der Ratgeber des Königs, Thomas More, setzt alles daran, die Macht des Papstes aufrechtzuerhalten. Solltet Ihr Euch also mit uns auf dieses Wagnis einlassen, werdet Ihr Euch einige mächtige Männer zum Feind machen.« Er legte William die Hand auf die Schulter. »Überlegt Euch also gut, was Ihr uns antwortet.«
William nickte nur, während er so tat, als würde er angestrengt nachdenken. Wenn er richtig gehört hatte, dann bot ihm diese Gesellschaft von Gönnern genau das an, was ihm der Bischof von London verweigert hatte – nämlich die Gelegenheit, das Neue Testament ins Englische zu übersetzen. Das war genau der Auftrag, nach dem er sich aus tiefstem Herzen sehnte. Und was die mächtigen Feinde betraf, nun, in dieser Hinsicht hatte er bereits Erfahrung sammeln dürfen, als er die Kinder von Lord Walsh in Little Sodbury unterrichtet hatte. Den dortigen Prälaten jedenfalls war es nicht gelungen, ihn mit ihren Drohungen einzuschüchtern.
Unter den Männern erhoben sich Rufe der Ermutigung, die jedoch schnell zu einem höflichen Murmeln verebbten, sodass er in Ruhe nachdenken konnte. Monmouth entfernte sich ein paar Schritte von ihm und verwickelte einige der Herren mit leiser Stimme in ein Gespräch.
Was gab es da groß zu überlegen? William war kaum noch in der Lage, seine Begeisterung im Zaum zu halten. Der Bischof von London konnte ihm gestohlen bleiben! Ein Bild von Cuthbert Tunstall, wie er zufällig auf eine Tyndale-Übersetzung des Neuen Testaments stieß, schoss William durch den Kopf. Er malte sich aus, wie der Bischof seine Übersetzung in einem Buchgeschäft in der Paternoster Row fand, sie vorsichtig in die Hand nahm, so als fürchte er, sie könnte vergiftet sein, und sie dann mit seinen üppig beringten Fingern aufschlug – nur um Tyndales Namen zu lesen. Was würde er dafür geben, um Zeuge dieses Augenblicks zu sein! Dann endlich würde der Bischof von London erkennen, dass der Gelehrte, den er so brüsk abgewiesen hatte, es auch ohne seine Hilfe geschafft hatte. Hochmut kommt vor dem Fall , ermahnte William sich. Es genügte, dass Gott ihm den Weg bereitet hatte. Gott und Humphrey Monmouth.
Drei Tage später brach William Tyndale nach Deutschland auf. In seiner Tasche steckten zwanzig Pfund, die er von der Kaufmannsgilde des Londoner Steelyard erhalten hatte, und Erasmus’ griechische Übersetzung des Neuen Testaments. Diese würde er zusammen mit Luthers deutscher Bibel als Grundlage für seine eigene Übersetzung verwenden – nicht um die Sache der Humanisten zu unterstützen, auch nicht als Übung in Altphilologie für die »neue Gelehrsamkeit« der geistigen Elite, die durch Erasmus und Sir Thomas More repräsentiert wurde, sondern um für das englische Volk das zu tun, was Luther für seine Landsleute getan hatte. Er gestand sich dafür ein Jahr zu – sechs Monate, um Deutsch zu lernen, und weitere sechs Monate, um die englische Übersetzung anzufertigen. In einem Land, in dem man davon abgesehen hatte, Luther auf den Scheiterhaufen zu schicken, würde gewiss auch er, William, eine Möglichkeit finden, seine Übersetzung drucken zu lassen.
Als er in Bristol an Bord eines Schiffes ging, klopfte er auf die
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