Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
verschwinden.
»Sagt mir, was Ihr mir zu sagen habt, Kapitän.« Ihre Stimme war leise und heiser vor Angst.
»John geht es gut, und Ihr solltet nicht allzu besorgt sein, wenn Ihr beunruhigende Neuigkeiten hört.«
»Was heißt nicht allzu besorgt, Kapitän?«, fragte sie, jetzt mit deutlich lauterer Stimme. »Wie besorgt sollte ich denn sein?«
Er konnte das nicht. Ihre Angst, die Sorgen, die er sich um sie machte, all das verunsicherte ihn.
»Was für beunruhigende Neuigkeiten?«
»John wird sich … verspäten.«
»Verspäten? Ist das alles? Da ist doch noch mehr, ich kann es in Eurem Gesicht sehen. Sagt es mir bitte und bringt es hinter Euch, oder gebt mir einfach Sir Humphreys Brief und lasst ihn mich lesen.«
»John wurde verhaftet«, sagte er, mit bemüht freundlicher Miene und gelassener Stimme.
Sie schlug die Hände vors Gesicht.
»O Gott!« Dann legte sie sie auf ihren Bauch, so als wolle sie verhindern, dass das Kind es hörte. Sie begann vor und zurück zu schaukeln. »O bitte, lieber Gott, nein …«
Er versuchte, ihr tröstend den Arm um die Schultern zu legen, aber sie schob ihn weg, so als würde er sie mit seiner Berührung verbrennen. »Mein Mann ist also in der Hand von Sir Thomas More, dessen einziges Lebensziel es ist, andere zu verbrennen, und Ihr sagt mir, ich solle nicht allzu besorgt sein!«
»Aber er ist doch gar nicht in der Hand von Thomas More.« Er reichte ihr den Brief.
Sie riss ihm das Papier aus der Hand, las begierig, während ihre Hände zitterten.
»Hier steht, dass er im Tower inhaftiert wurde. Dass Thomas Cromwell ihn in Gewahrsam genommen hat und nicht Thomas More«, sagte sie mit atemloser Stimme.
»Das ist eine sehr gute Nachricht«, sagte der Kapitän. »Konzentriert Euch allein darauf. Gebt die Hoffnung nicht auf. Wenn Euer Mann klug und geduldig ist, bestehen gute Aussichten, dass er schon bald freikommt. Möglicherweise wird er nicht einmal vor Gericht erscheinen müssen.«
Jetzt stand sie auf und sah ihn mit großen Augen an, in denen sich Angst und Entschlossenheit spiegelten. »Bringt mich zu ihm«, sagte sie. »Ich will ihn sehen.«
»Ich glaube nicht, dass das klug wäre …«
»Es ist mir egal, was Ihr glaubt.«
»Ihr müsst jetzt an Euer Kind denken.«
»Ich denke durchaus an mein Kind! Ich will, dass es wenigstens einmal die Stimme seines Vaters hört, bevor …« Und dann begann sie zu weinen. Diesmal entzog sie sich ihm nicht, als er die Arme um ihre Schultern legte. Sie lehnte sich sogar kurz an ihn. Dann wurde ihr Körper starr, so als bemühe sie sich krampfhaft um Selbstbeherrschung.
»Werdet Ihr mich zu ihm bringen?«, fragte sie und sah zu ihm hoch. »Bitte.«
»Ich werde tun, was immer Ihr von mir verlangt, Kate, aber ich glaube … nein, lasst mich ausreden … wenn sie von Euch erfahren, werden sie das gegen ihn verwenden. Ihr werdet zu einem Instrument der …« Er hielt inne, suchte nach einem anderen Wort als Folter . »Zu einem Werkzeug, um ihn zu zermürben, um ihn zu einem Geständnis zu bewegen. Er weiß, dass Ihr und das Kind sicher seid. Daran kann er sich festhalten. Es wird ihm Kraft geben und Trost spenden. Ich an seiner Stelle würde es jedenfalls so empfinden.«
»Aber …«
»Lasst mich zu ihm gehen. Ich werde versuchen, mit ihm zu sprechen. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht. Und wenn alle Stricke reißen, nun, es sind auch schon andere aus dem Tower entflohen …«
Sie sah ihn zweifelnd an.
»Das würdet Ihr tun? Ihr würdet Euch für ihn in Gefahr begeben?«
Er zuckte nur mit den Schultern und sagte:
»Er ist ein anständiger Mann, und ich kann Thomas More und seine Ketzerjäger nicht ausstehen. Ein Mann sollte das Recht haben, das zu glauben, was er glauben will.«
Sie sah ihn an, als versuche sie ihn einzuschätzen, als frage sie sich, ob sie ihm vertrauen konnte. Dann sagte sie mit ruhiger Stimme:
»Auch Ihr seid ein anständiger Mann, Kapitän. Das war mir schon immer bewusst.«
36
Von unserem Erlöser Jesus wünsche ich mir von ganzem Herzen, dass du dich mit Geduld wappnest, dass du dich kühl, nüchtern, weise und umsichtig zeigst; und dass du dich bedeckt hältst und komplizierte Fragen vermeidest, die das allgemeine Auffassungsvermögen übersteigen … Auf die Gegenwart des Leibes Christi im Sakrament geh so wenig ein wie möglich.
Aus einem von Tyndale an Frith gerichteten Brief, der in den Tower geschmuggelt wurde, Januar 1533.
K ate hatte seit Tagen nicht mehr gespürt, wie
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