Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Titel: Die englische Ketzerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Vantrease
Vom Netzwerk:
gebracht, dazu eine Kerze, etwas Schreibzeug und, auch dies ein Beispiel für Cromwells Umsicht, ein Buch mit Erasmus’ Predigten. Auch Erasmus war ein Meister der Vorsicht, und wohl deshalb war sein Buch nicht verboten. Er wies immer wieder auf die Missstände in der Kirche hin, die auch die »Ketzer« anprangerten, ging jedoch nie so weit, dass man ihm Ketzerei vorwerfen konnte, weshalb More ihn weiterhin als Freund ansah. Nachdem John seine Fleischpastete gegessen und den mit Wasser verdünnten Apfelwein getrunken hatte, verzichtete er darauf, die Kerze anzuzünden. Auch nahm er weder das Buch noch das Schreibzeug in die Hand. Er setzte sich stattdessen, den Rücken an die Wand gelehnt, auf die Matratze und starrte einen einzelnen Stern an, der in dem schmalen Ausschnitt schwarzen Himmels zu sehen war.
    Er fragte sich, ob Kate vielleicht gerade denselben Stern betrachtete. Ob sie vielleicht irgendwie spürte, dass er in Gefahr war. Ein Gefühl der Einsamkeit, so schwarz wie der Himmel, überfiel ihn.
    Kapitän Lasser nahm am Steelyard gerade Ladung auf, als er von John Friths Verhaftung hörte. Er stellte das Paket, das er einem Seemann geben wollte, auf den Boden und sah Sir Humphrey, der ihn mit dieser Neuigkeit begrüßt hatte, fassungslos an.
    »Weiß es Friths Frau schon?«, fragte er.
    »Das bezweifle ich. Wir haben es gerade selbst erst erfahren. Wir versuchen Kontakt mit ihm aufzunehmen, um in Erfahrung zu bringen, ob wir ihm vielleicht helfen können. Ich suche noch nach den rechten Worten, um es seiner Frau zu schreiben. Das ist eine wirklich schwere Pflicht. Ihr Bruder war Drucker und hat für unsere Sache gearbeitet, bevor er verhaftet wurde und man seine Druckerpresse zerstört hat. Sie hat mir eine Bibel verkauft, ein sehr schönes altes Familienerbstück, weil sie Geld brauchte, nachdem sie die Druckerei ihres Bruders aufgeben musste.« Er schüttelte den Kopf und strich sich über den Bart, sodass er die Form einer Dolchspitze annahm. »Wie bringt man einer Frau bei, dass ihr Ehemann wegen Ketzerei verhaftet wurde?«
    »So schonend wie möglich«, sagte Tom. Wie schwer musste es sein, einen solchen Brief zu schreiben, dachte er – selbst wenn er nicht an eine wunderschöne, junge Frau, die Gattin eines Mannes, den er bewunderte, gerichtet war. »Ich habe die beiden näher kennengelernt, als ich ihnen half, aus England zu fliehen. Sie hatten damals gerade erst geheiratet. Als Ihr mich beauftragt habt, John Frith an Bord zu nehmen, hattet Ihr mir nichts von einer Ehefrau gesagt.«
    »Ich wusste das damals selbst nicht. Es machte die ganze Angelegenheit komplizierter. Aber dank Euch ist alles gut gegangen.«
    »Frith ist ein anständiger Mann. Und er ist sehr klug. Vielleicht wird er überleben. Wo ist er inhaftiert?«
    »Im Tower. So kommen wenigstens More und Stokesley nicht an ihn heran.«
    »Aber man wird ihn trotzdem vor Gericht stellen?«
    »Höchstwahrscheinlich. Sobald sie sich sicher sind, genügend Beweise gegen ihn zu haben.«
    »Ich wette, die werden sie so eifrig sammeln wie Eichhörnchen Nüsse für den Winter. Wenn Ihr mit dem Brief fertig seid, könnt Ihr ihn mir geben. Ich werde ihn ihr bringen.«
    »Das wird auch für Euch eine schwere Pflicht sein, Kapitän.«
    Tom nickte und hob eine Kiste auf, die mit »Gewürze« gekennzeichnet war. Er stellte sie zu dem Stapel, der noch verladen werden sollte. Die Kiste roch nach allem, nur nicht nach Gewürzen. Aber Tom hatte inzwischen gelernt, nicht nachzufragen. Er musste nur wissen, dass sie mit einem doppelten X markiert war und deshalb besonderes Augenmerk erforderte.
    »Das ist wahr«, stimmte er zu. »Aber es sollte ihr jemand den Brief übergeben, den sie kennt.«
    Während er weiter die Kisten und Bündel einlud, die mit einem doppelten X gekennzeichnet waren, dachte er über sein Dilemma nach. Er hatte stets vermieden, direkt mit den Reformern in Verbindung gebracht zu werden – es brachte keinen Gewinn, barg aber ein großes Risiko. Kein Bischof kannte seinen Namen, und das war auch gut so. Bisher hatte er seinen Geschäften nachgehen können, ohne ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er war einfach nur ein Schmuggler unter vielen, der sich allemal freikaufen konnte, wenn man ihn tatsächlich einmal schnappen sollte. Aber John Frith hatte es einfach nicht verdient, durch Thomas More zu sterben. Und die tapfere junge Frau, der er zum ersten Mal im Fleet-Gefängnis begegnet war, hatte dieses Maß an Schmerz auch nicht verdient.

Weitere Kostenlose Bücher