Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
war. »Umso mehr, da Euch die Lektüre meines Werks als einen überaus mutigen Mann ausweist. Immerhin ist diese Schrift noch immer verboten.«
»Ihr vertretet in Eurem Werk in der Tat eine kühne These. Vor allem in Zeiten wie diesen«, sagte Cromwell.
»Aber ist nicht gerade dies die Zeit für kühne Thesen, Master Cromwell?«
»Jedenfalls dann, wenn Ihr eine Sehnsucht nach dem Märtyrertum verspürt. Andernfalls würde ich zur Vorsicht mahnen. Dann könntet Ihr Eure Situation sogar zu Eurem Vorteil nutzen. Die neue Königin wird ihren Einfluss zu Euren Gunsten geltend machen.«
Die neue Königin ? Natürlich. Cromwell blickte bereits ein Stück in die Zukunft. Er war als Anhänger von Anne Boleyn bekannt.
»Sie hegt ein ganz besonderes Interesse an den Überlebenden des Fischkellers. Aber die Kirche, die Bischöfe und die Erzbischöfe fällen die Urteile bei Häresie. Selbst Erzbischof Cranmer, der Eurer Sache durchaus … durchaus aufgeschlossen gegenübersteht, wird zögern, einen Schuldspruch aufzuheben. Bischof Stokesley wird bei Eurer Verhandlung anwesend sein. Und Thomas More wird sein rechtlicher Berater sein. Jetzt ist die Zeit für Besonnenheit, und nicht für Kühnheit. Wenn Ihr so intelligent seid, wie ich annehme, dann brauche ich Euch nicht mehr zu sagen.«
»Ihr seid sehr freundlich, Master Cromwell. Ich fühle mich durch Euer Interesse sehr geehrt und weiß Euren Rat zu schätzen. Wenn ich mir erlauben dürfte, Euch um einen einzigen Gefallen zu bitten? Könnte ich etwas zum Schreiben haben?«
Cromwell runzelte die Stirn, verengte seine geschwollenen Augen zu Schlitzen.
»Nach allem, was ich gerade zu Euch gesagt habe, Master Frith, rate ich Euch …«
»Ich will nur meiner Frau einen Brief schreiben.«
»Auch davon würde ich Euch abraten. Ein solcher Brief könnte zu Eurer Frau oder zu … Euren Freunden führen. Und Eure Frau wiederum könnte als Druckmittel verwendet werden, um Informationen zu gewinnen oder Euch zum Widerruf zu bewegen. Wenn Ihr abschwört, wäre das ein großer Sieg für Eure Gegner.«
John fiel plötzlich ein, was mit James Bainham geschehen war. Als er sogar auf der Folterbank widerstanden hatte, hatte man seine Frau ins Fleet-Gefängnis geworfen. Gott sei Dank wussten More und Stokesley nicht, dass er eine Frau hatte und wo sie lebte.
Cromwell legte John brüderlich die Hand auf die Schulter. »Constable Kingston, Ihr braucht Euch wegen der Haftbedingungen für Master Frith keine großen Sorgen zu machen. Ich denke, wir können unserem Freund hier den Kontakt mit einigen anderen Gefangenen gestatten. Er ist ein Mann Gottes, ein Mann voller Mitgefühl.« Seine Lippen formten sich zu einem schmalen Lächeln. »Er mag einigen von ihnen Trost spenden. Lasst ihn auch jene Besucher empfangen, die nach ihm fragen.«
Der Constable nickte.
»Gebt ihm an grundlegenden Dingen, was immer er braucht. Setzt sie auf meine Rechnung.«
»Ich danke Euch sehr für Eure Freundlichkeit, Master Cromwell«, sagte John. Er war tatsächlich sehr dankbar, auch wenn dieser Mann etwas an sich hatte, das ihn bewog, ihm nicht vollkommen zu trauen. Er war als Sympathisant der protestantischen Bewegung bekannt, aber er wäre nicht der Erste, der auf der Welle der Veränderung an die Macht gelangte. In seinen Augen lag eine Art von Intelligenz, die von großem Eigeninteresse zeugte. Immerhin war er ein Schützling von Wolsey, der das personifizierte Eigeninteresse gewesen war.
»Wenn der König wieder im Lande ist, werde ich mich bei ihm für Euch verwenden. Der König besucht trotz seines Streites mit der Kirche weiterhin die Messe. Vergesst das bei Euren Gesprächen mit den Insassen und den Besuchern des Towers nicht. More und Stokesley sind sich bestimmt nicht zu schade, den einen oder anderen Spion einzuschleusen.«
»Bekomme ich etwas zum Schreiben?«, hakte John nach. »Auch auf das Risiko hin, Eure gnädige Großzügigkeit allzu sehr zu beanspruchen. Es wäre wirklich ein großer Segen für mich.«
Cromwell nickte.
»In Eurer Eigenschaft als Theologe könntet Ihr dem König sehr nützlich sein, jedenfalls wenn Ihr es mit Eurem Gewissen vereinbaren könnt, seine Entscheidung, die alte Königin zu verstoßen, öffentlich gutzuheißen. Ihr könnt von Glück sagen, dass Ihr in meiner Obhut seid und nicht in die Hand Eurer Feinde gefallen seid, Master Frith. Aber seid noch einmal gewarnt. Mehr kann ich nicht für Euch tun.«
Nachdem er gegangen war, hatte man John das Abendessen
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