Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
darüber, wie lange Ihr mit ihm schwanger gewesen seid, oder über die Umstände seines Todes. John hat nicht gesehen, wie wunderschön sein Sohn war. Er wird diesen Verlust besser verkraften als Ihr.« Sie glaubte, einen wehmütigen Unterton aus seinen Worten herauszuhören. »Seine Sorge wird allein Euch gelten. Versichert ihm, dass es Euch gut geht.«
William war stets ein guter Ratgeber.
John war dankbar für jeden Besuch. Die Besuche stellten die einzige Abwechslung in der trostlosen Monotonie dar. Das winterliche Licht fiel spärlich durch das Fenster, und in der Zelle war es immer kalt. Er hatte einen heftigen Husten bekommen, der ihn schüttelte, bis ihm die Brust weh tat. Die meiste Zeit saß er im Dunklen, um die wenigen Talgkerzen, die Cromwell ihm gestattete, für jene Stunden aufzusparen, in denen er schrieb. Er hatte seine Abhandlung, die für John Rastell, den Schwager von Thomas More, bestimmt war, schon im Kopf. Das was er über Rastell wusste, gab ihm Grund zu der Annahme, dass er sich die Argumente der Gegenseite wenigstens anhören würde. Falls er sich tatsächlich bekehren ließ, wäre dies ein großer Erfolg. Rastell besaß eine Druckgenehmigung und war somit hervorragend geeignet, ihre Sache zu unterstützen. Außerdem schätzte John ihn persönlich.
Er würde die kostbare Kerze erst anzünden, nachdem er im Geiste stundenlang an seiner Erörterung für Rastell gefeilt hatte. Er schrieb noch immer in Gedanken, als er vor der Tür Schlüssel klirren hörte.
Sein Körper zuckte wie immer zusammen, aber dieses Mal musste er Feder und Papier nicht verstecken. Alle Beweise befanden sich in seinem Kopf. Es war noch zu früh fürs Abendessen, also bekam er wohl Besuch. Vielleicht Kapitän Lasser? Er hatte jedenfalls versprochen wiederzukommen. Als sich die Tür öffnete, erkannte er schon an der Statur des Mannes, der eintrat, dass es nicht der Kapitän war. John spürte einen Stich der Enttäuschung, denn er wusste, dass Tom Nachrichten von Kate gebracht hätte. Dennoch freute er sich, denn er mochte den kleinen Schneider, der jetzt in der Tür stand.
»Master Holt, wie freundlich von Euch, mich zu besuchen. Von Chelmsford hierher ist es an einem solch winterlichen Tag ein beschwerlicher Ritt.«
»Ich bin gerade in London, um Stoffe zu kaufen. In Chelmsford bekommen wir nur selten feine Seide.«
Sein Blick wanderte in der Zelle umher, er stand noch immer an der geöffneten Tür und blockierte den Blick nach draußen. Er sagte so laut, dass es auch der Wärter hörte: »Meine Frau hat mir etwas Apfelkuchen für Euch mitgegeben. Der hat Euch das letzte Mal doch so gut geschmeckt. Ich habe das mit dem Kämmerer des Tower abgeklärt.«
Dann blinzelte er John zu und übergab ihm ein Bündel, das in mit Bienenwachs imprägniertes Papier eingeschlagen war. Der Duft von Zimt und Äpfeln ließ John das Wasser im Mund zusammenlaufen, aber er öffnete das Päckchen nicht. Er würde damit warten, bis sein Besucher gegangen und die Tür geschlossen war, denn er wusste, dass in dem Kuchen eine in Pergament eingewickelte Kerze verborgen war.
»In der Flasche dort ist auch noch etwas von der Blutwurst, die Ihr so gerne mögt.«
»Blutwurst liebe ich ganz besonders«, sagte John und dankte dem kleinen Schneider mit einem Lächeln und einem Kopfnicken für die Tinte. »Richtet Eurer Frau meinen herzlichen Dank aus. Setzt Ihr Euch eine Weile zu mir? Erzählt mir, was Ihr bei Euren Reisen durch Essex Neues erfahren habt.«
Der Wärter schlurfte zu seinen Kollegen am Ende des Ganges davon, die gerade beim Würfelspiel saßen. Schon bald schallten ihre Flüche durch die offene Tür und übertönten ihr Gespräch.
Der Schneider senkte seine Stimme zu einem Flüstern.
»Ich soll Euch von allen Grüße ausrichten. Sie machen sich Sorgen um Eure Gesundheit.«
»Sagt Ihnen, sie sollen weiter für mich beten, aber es geht mir gut.« John bekam einen Hustenanfall, und der Schneider zog besorgt die Augenbrauen hoch. »Nun, sagen wir, es geht mir den Umständen entsprechend gut.«
»Wir sprachen von Eurer letzten Bibellesung. Ihr wisst schon, das letzte Abendmahl. Ich habe, gestützt auf die wenigen Notizen, die Ihr mir gabt, versucht, meinen Freunden Eure Gedanken mitzuteilen, aber ich kann mich einfach nicht so gut ausdrücken wie Ihr.«
»Dieses Thema ist Anlass für viel Zank unter uns Brüdern. Vielleicht wäre es am besten, Ihr spart …«
»Aber Eure Predigt war so klar und einleuchtend. Ich wünschte, sie
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