Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
zusammenhing.
John kehrte nicht zurück, um seine Mahlzeit zu beenden, und nachdem die Tische abgeräumt worden waren, fanden sich die Männer zu kleinen Gruppen zusammen und begannen, wilde Vermutungen anzustellen. Hugh verließ mit Jean und Ranulf die Halle. Sie versuchten, sich nicht in die Gespräche verstricken zu lassen, und wenn sich dies nicht vermeiden ließ, hörten sie nur zu und äußerten keine eigene Meinung. Auch anderen war der verstohlene Aufbruch von de Vesci und FitzWalter nicht entgangen.
»Ich habe gehört, dass die Verschwörer den König ermorden, die Königin schänden, ihre Kinder töten und Simon de Montfort den Thron anbieten wollen«, verkündete einer der Gefolgsleute des Earl of Derby mit leuchtenden Augen.
»Ach, das glaube ich dir nicht. Wo willst du das denn gehört haben?«, höhnte einer seiner Gefährten, schien aber trotzdem darauf zu brennen, weitere Einzelheiten zu erfahren.
»Ich weiß es nicht mehr.« Der Ritter zuckte die Achseln. »In einer Aleschänke in der Stadt vielleicht. Dort spricht man doch von nichts anderem.«
Hugh stutzte verblüfft. Also waren bereits die wildesten Gerüchte im Umlauf. Und warum de Montfort, ein Franzose? Er besaß zwar ein Anrecht auf englischen Boden, aber nur auf die Grafschaft Leicester, die sich im Moment in Johns Händen befand.
»Viele Leute schenken Gerüchten ihr Gehör, weil sie sie nicht von ihrem eigenen Wunschdenken unterscheiden können«, knurrte Jean. »Und wie alle Gerüchte ist auch dieses immer weiter ausgeschmückt worden.«
»Aber warum sprechen sie so von der Königin?«, wandte Ranulf unbehaglich ein.
Jean zuckte die Achseln.
»Weil der König in dem Ruf steht, sich an den Frauen anderer Männer zu vergehen. De Vescis Frau ist das jüngste Beispiel dafür. Er hat sich in der Vergangenheit stets rücksichtslos genommen, was er wollte, manchmal auch mit Gewalt und durch Drohungen. Kein Wunder, dass sich die Ehemänner und Väter ausmalen, wie sie Rache nehmen würden, wenn sie die Gelegenheit dazu bekämen. Die Frau eines Mannes zu entehren bedeutet, die Ehre des Mannes zu besudeln. Dann heißt es, er kann nicht auf sie oder seine Familie Acht geben … oder schlimmer noch, man hält ihn für impotent.« Jean sah Hugh und Ranulf an. »Dabei geht es allein um Macht und Kontrolle – so wie ein Hund das Territorium eines anderen markiert.«
»De Vesci und FitzWalter…« Hugh nickte zu den Männern hinüber, die mit ihren Rittern und Sergeanten gerade durch das Tor ritten. »Der König lässt sie gehen?«
Jean rieb sich das Kinn.
»Vielleicht meint er, er hätte keine andere Wahl. Was würde denn geschehen, wenn er befehlen würde, sie aufzuhalten? Auf wie viele seiner Anhänger kann er wirklich bauen?«
Ranulf erwiderte nichts darauf. Hugh verzog das Gesicht. Er hasste das Hofleben mit all seinen Ränken und Intrigen, und er begriff nicht, wie Männer wie sein Halbbruder es genießen konnten – abgesehen davon, dass Longespee seinen Platz in Johns Gefolge als Bestätigung seines königlichen Blutes wertete und jede Gelegenheit nutzen konnte, in kostbaren Kleidern herumzustolzieren.
»Aber durch ihren vorzeitigen Aufbruch machen sie sich doch erst recht des Verrats und der Desertion verdächtig.«
»Dann haben sie noch mehr zu verlieren, wenn sie bleiben.«
Hugh grübelte immer noch über eine unverfängliche Antwort nach, als ein Lederball an ihm vorbeiflog. Zwei walisische Jugendliche und der kleine Junge, der mit Richard gerauft hatte, rannten ihm hinterher. Ohne nachzudenken, stürmte Hugh los und griff sich den Ball, ehe die Jungen ihn zu packen bekamen.
»Fangt mich!«, rief er lachend. Die beiden Älteren zögerten, doch der Kleinste setzte Hugh entschlossen nach.
Jean D’Earley schüttelte den Kopf, als er sah, wie sich Hugh mitten in das Spielgedränge stürzte, dann begann er zu lachen.
»Genau das hätte Lord Marshal auch getan, als er jünger war«, sagte er zu Ranulf.
Ranulf rieb sich seinen Oberschenkel.
»Ich mit Sicherheit auch, wenn ich mir nicht gestern einen Muskel gezerrt hätte.«
»Er wird mit der Situation gut fertig«, stellte Jean anerkennend fest. »Lord Marshal war entschlossen, für seine Tochter den besten Mann zu wählen, den er finden konnte, und ich freue mich, dass ihn sein Urteilsvermögen nicht getrogen hat.«
»Mit einer Frau fertigzuwerden, die ihren ganz eigenen Kopf hat, dauert allerdings bedeutend länger«, warf Ranulf hellsichtig ein.
Jean lächelte
Weitere Kostenlose Bücher