Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
bestand darin, mit ihren Hügeln und dem unvermeidlichen Nebel und Regen zu verschmelzen und aus dem Hinterhalt heraus anzugreifen und die Gegner nacheinander niederzustrecken.
Die Edelleute sahen sich an und wandten die Blicke ab, als würde zu langer Augenkontakt gefährliches Wissen oder Absichten enthüllen. Jeder wusste, was niemand aussprach. Hugh schielte zum König hinüber. Auf Johns Gesicht lag ein Lächeln,
aber es wirkte wie festgefroren und sah eher so aus, als wolle er gleich die Zähne fletschen. Sein starrer, durchdringender Blick schien die Gedanken der Männer zu ergründen. Hugh widmete sich angelegentlich seinem Essen und hoffte, dass er nicht so schuldbewusst aussah, wie er sich fühlte. Ranulf tat dasselbe. Auch Jean D’Earley konzentrierte sich auf seine Mahlzeit, und die drei Männer versuchten nur von unverfänglichen Dingen zu sprechen.
John streckte gerade die Hände aus, damit sein Tafelmeister sie mit Wasser übergießen konnte, als ein Bote in die Halle geführt wurde, der dem König einen Brief überreichte. John wischte sein Messer an einem Stück Brot ab und erbrach das Siegel. Während er den Inhalt überflog, presste er die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Dann winkte er Longespee und die Befehlshaber seines Söldnertrupps zu sich, erhob sich und verließ abrupt den Raum.
Danach herrschte eine Weile Schweigen, dann lachte jemand unsicher auf, und die Unterhaltung setzte erneut ein, klang jetzt aber merklich gezwungen. Hugh hatte keinen Appetit mehr und schob seine Eintopfschale weg. Richard kam mit einer Weinkaraffe zu ihnen und beugte sich vor, um ihnen nachzuschenken.
»Der Brief trug das Siegel des Königs der Schotten«, teilte er Hugh, Ranulf und Jean leise mit. »Jetzt könnt ihr euch euren Teil denken.«
Jean griff nach seinem Becher und drehte ihn in der Hand. »Das könnte sehr viel oder auch gar nichts bedeuten, aber da er Marc, D’Athée und Lord Salisbury mitgenommen und seine Mahlzeit nicht beendet hat, würde ich sagen, es handelt sich um wichtige Nachrichten, die er nicht sofort bekanntgeben will.«
Richard stellte die Karaffe ab und leckte sich über die Lippen.
»Es sind Gerüchte im Umlauf …« Angesichts der erschrockenen Gesichter der anderen Männer brach er hastig ab. »Was habe ich gesagt?«
»Hör auf Gerüchte, wenn du willst«, erwiderte Hugh scharf. »Schenk ihnen von mir aus auch Glauben, aber behalte sie für dich – auch mir gegenüber. Vertraue sie noch nicht einmal dem treuesten Freund deines Vaters an!«
Richards sommersprossiges Gesicht lief rot an.
»Wenn dein Bruder mit diesen Gerüchten zu tun hat und du in Verbindung mit ihm stehst, dann sag ihm, er soll sehr vorsichtig sein.«
Richard nickte mit zusammengekniffenen Lippen und entfernte sich.
Jean D’Earley warf Hugh einen wissenden Blick zu.
»Ich glaube nicht, dass ich wissen möchte, worum es eben ging.«
Hugh trank einen Schluck aus seinem wieder nachgefüllten Becher und schob ihn gleichfalls zur Seite.
»Ich denke, Ihr wisst bereits genauso viel wie ich. Mir ist bereits aufgefallen, dass die Mitglieder des Marshal-Haushalts immer die Ohren offen halten und auch als Geiseln bemerkenswert gut informiert sind.«
»Die Jungen sind noch unreife Bengel«, meinte D’Earley nachsichtig. »Es macht sich bemerkbar, dass ihr Vater nicht da ist, um ihr Ungestüm zu zügeln, aber das ist nur das Feuer der Jugend. Sie wissen, was sie ihrem Blut schuldig sind.«
»Die Ansichten über Pflichtbewusstsein können sehr unterschiedlich sein, Mylord«, versetzte Hugh, der an Mahelts Eskapade in Thetford dachte.
»Das mag sein, aber sie werden ihrem Vater nicht den Gehorsam verweigern.«
Hughs Nacken begann zu prickeln. Damit war also so gut
wie klar, dass sein Schwiegervater alles über die Gerüchte und die momentane heikle Lage wusste, was es zu wissen gab. Es überraschte ihn nicht, machte ihn aber trotzdem nervös. D’Earleys Bemerkung war zweideutig, das galt jedoch auch für die gesamten Umstände. Als er sich in der Halle umblickte, fiel ihm auf, dass Eustace de Vesci und ein anderer im Norden ansässiger Baron, Robert FitzWalter, sich unauffällig davonstahlen. Dahinter mochte keine böse Absicht stecken, vielleicht waren sie nur auf dem Weg zur Latrine, doch angesichts dessen, was er inzwischen erfahren hatte, hielt Hugh es für unwahrscheinlich. Er würde seine letzte Mark darauf wetten, dass der Abgang der beiden Männer mit dem soeben eingetroffenen Brief
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