Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
segeln und die Franzosen angreifen wollte, bevor sie sich von ihrer jüngsten Niederlage erholt hatten. Longespee war schon mit dem Befehl, dem Grafen beizustehen und Philips Truppen nicht zur Ruhe kommen zu lassen, wieder in Flandern.
Langton beugte sich vor und tauschte mit dem König den Friedenskuss. Er hatte dies schon auf den Stufen der Kathedrale getan, wiederholte die Geste jetzt aber im Angesicht Gottes und des Heiligen Swithun. Langtons Gesicht mit den
geschürzten Lippen glich dem eines Lehrers, der sich abwechselnd streng und milde belustigt zu geben vermochte. Er liebte es, andere zu leiten, und er sah sich als einen von Vernunft geprägten Mann, der vieles, was andere angerichtet hatten, wieder in Ordnung bringen musste.
Nachdem die Messe beendet war, verließen der König, der Erzbischof und die Bischöfe die Kathedrale durch die westliche Tür, und vor den Augen der Menge tauschten John und Langton ein drittes Mal den Friedenskuss, damit niemand mehr an der endgültigen Versöhnung zwischen König und Kirche zweifelte.
Mahelt trat mit ihrer Mutter aus dem kühlen, dämmrigen Inneren der Kathedrale in die heiße Spätjulisonne hinaus und musste eine Hand schützend vor die Augen legen. Ihr Vater stand dicht bei dem König, ebenso wie ihr Schwiegervater, der eigens für diesen Anlass aus Framlingham angereist war. Sein Gesicht war krebsrot angelaufen, weil er trotz der Hitze seinen mit Hermelinpelz gesäumten Mantel trug. Ida war aufgrund ihrer schwachen Gesundheit zu Hause geblieben; die Reise hätte ihre letzten Kräfte aufgezehrt. Im Moment bekleidete Mahelt den Posten der amtierenden Countess of Norfolk.
Will löste sich aus einer Gruppe junger, elegant gekleideter Männer und älterer Ritter, zu denen auch Mahelts Schwager Ranulf FitzRobert und der frühere, inzwischen begnadigte Rebell Eustace de Vesci gehörten, und gesellte sich zu ihnen.
»Der König sollte sein Leben als fahrender Spielmann fristen«, murmelte er höhnisch. »Seine Versprechen sind nichts als Lügen, die seinen Hals retten und uns dazu bewegen sollen, mit ihm nach Poitou zu gehen. Aber es wird ihm nichts nützen.«
»Frieden im Land wird uns allen nützen, mein Sohn«, entgegnete seine Mutter scharf. In ihrem Blick lag eine unmissverständliche Warnung.
»Allen mit Sicherheit nicht«, schnaubte Will, »denn er gilt ja nicht für alle, nicht wahr?«
»Sei froh, dass das Interdikt aufgehoben und wieder ein vernünftiger Erzbischof am Ruder ist«, erwiderte Isabelle mit erzwungener Ruhe.
»Und ein lasterhafter König. Darüber soll ich froh sein? Wie kannst du so etwas sagen, Mutter?«
»Du hast mich falsch verstanden. Ich sagte lediglich, dass Erzbischof Langton ein vernünftiger Mann ist. Er wird für das bisher fehlende politische Gleichgewicht im Land sorgen. Dein Vater ist ebenfalls hier, und du weißt, dass er stets zum Besten des Reiches und seiner Familie handelt.«
»Nur nicht zu seinem eigenen Besten, darauf könnte ich wetten, auch wenn er das selbst nicht einsieht. Das hat er noch nie getan.«
»Er war lange nicht in England und ist froh, wieder hier zu sein. In Irland hat er sich immer nur notgedrungen aufgehalten.«
Wills Miene verfinsterte sich.
»Ich für meinen Teil ziehe Irland England bei weitem vor«, sagte er, entschuldigte sich, als er einige Bekannte sah, und wandte sich ab.
Isabelle seufzte und sah ihm stirnrunzelnd nach.
»Ich fürchte, die Zeit als Geisel hat sich negativ auf seinen gesunden Menschenverstand ausgewirkt.«
»Ich bin mir gar nicht sicher, ob er jemals welchen hatte«, gab Mahelt zurück, schwieg aber über die Dinge, die sie wusste, Dinge, die Bitterkeit in der Seele ihres Bruders gesät hatten. Sie liebte ihre Mutter und vertraute ihr, aber manches ging nur Will und sie etwas an.
Isabelle bedachte sie mit einem wissenden Lächeln.
»Bei dir gewinnt das Temperament auch oft die Oberhand
über den Verstand, meine Tochter. Ich hatte nach deiner Heirat fast ebenso große Angst um die Bigods wie um dich.«
Mahelt errötete. Sie wusste nicht, inwieweit ihre Mutter über ihre geheimen Aktivitäten und ihr Komplott mit Will in den ersten Tagen ihrer Ehe im Bilde war. Am besten schnitt sie das Thema nicht an. Sie lachte gekünstelt auf.
»Hugh behandelt mich gut, und ich liebe ihn sehr. Was seinen Vater betrifft … wir haben eine Art Waffenstillstand geschlossen.« Sie musterte ihren Schwiegervater schuldbewusst, der wie eine gekochte Krabbe aussah. »Hughs Mutter mag ich
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