Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
Loyalität allein von guter Bezahlung abhing. Auch William Longespees Königstreue war unerschütterlich. Hugh versuchte nicht an seinen Halbbruder zu denken, was ihm aber nicht gelang, da sie im selben Lager lebten und bei Beratungen an einem Tisch saßen.
Hugh trank seinen Wein aus und ließ einen weiteren Krug
bringen. Nachdem John sich dem päpstlichen Legaten Pandulf ergeben hatte, war dieser zu den Franzosen geeilt und hatte König Philip mitgeteilt, die Invasion sei abgeblasen, weil England jetzt ein Kirchenstaat sei und John sich verpflichtet habe, Stephen Langton als Erzbischof von Canterbury anzuerkennen, alle Geistlichen wieder aufzunehmen, die während des Interdikts ins Exil gegangen waren, und Wiedergutmachungszahlungen zu leisten. Aufrührer wie de Vesci und FitzWalter erhielten ihr Land zurück, und ihnen wurde der Friedenskuss zugesichert.
König Philip mit seiner marschbereiten Armee sah seine Pläne durchkreuzt und war außer sich vor Wut. Deshalb hatte er seine Aufmerksamkeit auf Johns Verbündeten gerichtet, den Grafen von Flandern, und einen Angriff vorbereitet. Der Graf hatte John um Hilfe gebeten, woraufhin John Longespee als Befehlshaber der englischen Flotte mit siebenhundert Mann nach Flandern geschickt hatte. Die Schiffe hatten vor fünf Tagen abgelegt, und bislang gab es noch keine Neuigkeiten.
»Ich bin froh, wenn ich endlich nach Hause reiten kann«, meinte Ranulf. »Ich habe einen neugeborenen Sohn. Wenn das hier so weitergeht, dann läuft er schon, wenn ich heimkomme, und seine Schwestern sind im heiratsfähigen Alter.«
Hugh dachte flüchtig an seine eigenen Söhne. Bei Roger hatte sich der Wachstums- und Veränderungsprozess verlangsamt, aber der kleine Hugh befand sich in der Entwicklungsphase zwischen Baby und Kleinkind, in der ein oder zwei Monate einen großen Unterschied ausmachten. Allerdings konnte sich der Feldzug nicht nur über ein oder zwei Monate, sondern vielleicht über den ganzen Sommer hinziehen, und während dieser Zeit musste er für einen Mann kämpfen, bei dessen Anblick es ihn kalt überlief.
»Eine unheilvolle Stille, Bruder.« Jetzt funkelte in Ranulfs Augen keine Belustigung mehr.
»Sowie Langton zurückgekehrt ist und je nachdem, was in Flandern passiert, ist es durchaus möglich, dass der König nach Poitou übersetzt und gen Norden zieht, um König Philip zwischen zwei Fronten in die Mangel zu nehmen«, erwiderte Hugh.
Ranulf fuhr sich mit der Hand durch sein von Silberfäden durchzogenes braunes Haar.
»Nun, das wird er nicht mit meiner Hilfe tun«, sagte er knapp. »Selbst wenn meine Frau und meine Kinder nicht wären – ich habe eine Ernte einzubringen und muss mich zu Hause um vieles kümmern. Ich bleibe nur so lange, wie mich die Pflicht dazu zwingt, und ich gedenke nicht, heimischen Boden zu verlassen.« Er trank seinen Wein aus und stellte den Becher hart auf den Tisch. »Und ich werde nicht dafür bezahlen, dass er dort drüben Männer anheuern kann. Ich habe meinen Dienst abgeleistet. Sowie diese Zeit abgelaufen ist, bin ich wieder mein eigener Herr – bis nächstes Jahr.« Er sah Hugh fragend an. »Was ist mit dir? Wirst du gehen, wenn er es verlangt?«
»Ich müsste darüber nachdenken.« Hugh rieb sich den Nacken.
»Ich bin überrascht, dass du das überhaupt in Erwägung ziehst.«
»Das muss mit der Familie besprochen werden, und mein Vater hat das letzte Wort.«
»Aber du bist derjenige, der gehen müsste!«
Hugh hob seufzend die Hände.
»Ja, aber was hätte ich zu gewinnen, wenn ich mich gegen ihn auflehnen würde? Ich werde nicht zulassen, dass John uns entzweit. Ich habe ihn schon oft einen Keil zwischen Familien treiben sehen. Dann bohrt er weiter und wartet, bis alles zusammenbricht. Wenn die Zeit kommt, werden wir zum Wohle aller handeln.«
»Na, darauf trinke ich«, meinte Ranulf säuerlich, schenkte
seinen Becher erneut voll und hob ihn zu einem Trinkspruch. Hugh erwiderte die Geste, dabei überlegte er, dass er es bei diesem letzten Becher bewenden lassen wollte. In vino veritas . Er fürchtete, nach einem dritten Krug seine wahre Meinung allzu offen zu äußern.
Ein Pilger betrat die Schänke. Er war mit Bleiampullen, Kreuzen, Rosenkranzperlen beladen und trug eine mit einem roten Band zusammengebundene Pergamentrolle bei sich.
»Kein Wunder, dass der Papst ein paar der Gebeine des heiligen Thomas für Rom haben will«, murmelte Hugh, um das Thema zu wechseln. »Sie müssen mehr als ihr Gewicht in Gold wert
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