Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
unterdrücken.
»Ich würde gegen jeden Einzelnen persönlich vorgehen, wenn es sein müsste, aber darum geht es nicht«, gab sein Vater zurück. »Aber gegen Verrat muss man vorgehen. Ich wollte immer meine Familie beschützen. Ich habe Strategien entwickelt und Informationen gesammelt, aber ich habe nie insgeheim Komplotte geschmiedet.«
Will schluckte.
»Also hältst du mich für einen Verräter, gegen den es vorzugehen gilt?«
»Soll ich dich dafür loben, dass du hinter dem Rücken des Königs intrigierst? Du bist auch nicht besser als die, die du stürzen willst.«
Will erbleichte, gab aber keinen Zoll nach.
»Gott vergebe dir, und Gott vergebe mir. Begreifst du denn immer noch nicht?« Er hob in einer flehenden Geste die Hände. »Du kannst nichts gegen sie unternehmen. Es handelt sich nicht nur um die Männer auf der Liste, sondern um unzählige mehr. Ich bin heute Abend zu dir gekommen und wollte dich bitten, uns den Weg zu ebnen und zu helfen, den König zur Einsicht zu bringen. Widersprechen seine Taten nicht deinem Herzen und deiner Ehre? Was wird geschehen, wenn es zum Krieg kommt? Wo wirst du stehen, wenn das Land in Schutt und Asche versinkt? Willst du weiterhin eine Marionette dieses Tyrannenkönigs bleiben, oder willst du deinen Weitblick nutzen, um den richtigen Weg einzuschlagen?«
Sein Vater erwiderte nichts darauf, sondern wandte sich ab und starrte den Wandbehang an. Will wusste, dass er ihn verletzt
hatte, aber er hatte zugleich auch sich selbst verletzt. Und wieder war John die Wurzel allen Übels.
Sein Vater drehte sich um. Hatte er vorher schon müde ausgesehen, so wirkte er jetzt völlig erschöpft.
»Welcher Weg ist denn der richtige?«, fragte er. »Ich glaube nicht, dass Eustace de Vesci oder Saer de Quincy ihn kennen – und noch nicht einmal der Earl of Norfolk, obwohl sein Geschick als Anwalt sich vermutlich als unentbehrlich erweisen wird.«
Will gewann seine Fassung zurück.
»Vater, ich sagte doch, es sind nicht nur de Vesci und FitzWalter. Deine Fähigkeiten wären auch unentbehrlich. Sieh dir doch die einzelnen Punkte der Verfassung an. Kannst du mit gutem Gewissen Einwände dagegen erheben? Willst du de Cigogne und den Rest dieser Bastarde nicht gern los sein?« Will erschauerte leicht. »Willst du nicht, dass unsere Frauen beschützt werden und die willkürlichen Verhaftungen aufhören?«
Sein Vater seufzte.
»Doch, natürlich will ich das, all diese Punkte sind verhandlungsfähig, aber nur in aller Öffentlichkeit. Ich leugne nicht, dass Männer mit geachteten Namen auf der Liste stehen, aber auch andere, die nur Unheil anrichten werden. Sie sehen euren Plan nicht als ein Mittel, Johns Exzesse zu beenden, sondern als einen Schritt, ihn durch den König von Frankreich oder seinen Sohn zu ersetzen und ihre eigenen selbstsüchtigen Ziele zu verfolgen, und das, mein Sohn, ist Verrat, auch wenn du es noch so blumig umschreibst!«
»Deswegen bin ich zu dir gekommen. Du bist einer der wenigen, auf die John hört. Du kannst ihn überzeugen, dieser Charta zuzustimmen, das wird die Gemüter beruhigen und gibt uns eine Basis, auf der wir aufbauen können.«
Wieder schüttelte sein Vater den Kopf.
»So wie du mich für einen halsstarrigen alten Mann hältst, halte ich dich für einen naiven jungen Narren. Da diese Sache bereits in Gang gesetzt worden ist, sollten die Einzelheiten öffentlich gemacht werden, damit jeder sie hören und sich eine Meinung bilden kann. Ich bin der Marschall des Königs. Es ist meine Pflicht, ihn unvoreingenommen zu beraten und zu ihm zu stehen, komme, was wolle. Denk darüber nach, Will. Denk gut darüber nach, denn eines Tages geht diese Pflicht auf dich über.«
»Du solltest gleichfalls nachdenken, Vater.« Will blickte zur Tür. »Ich muss gehen, es ist schon spät.« Er drehte sich um und kniete respektvoll vor dem älteren Mann nieder.
»Hier ist auch ein Bett frei. Du kannst bleiben … hier, bei deiner Familie.«
Will zögerte einen Moment. Die Versuchung war so stark, dass sie ihm beinahe körperliche Schmerzen bereitete. In einer weichen Matratze zu versinken, den Duft sauberen Leinens einzuatmen und sich einzureden, er sei zu Hause und morgen sähe die Welt ganz anders aus … Aber er schüttelte die momentane Schwäche ab und erhob sich.
»Nein, ich habe eine Unterkunft in der Stadt, es ist besser, wenn ich gehe.« Unter diesem Dach würde er immer eine untergeordnete Stellung einnehmen und nicht den Rang eines
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