Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
Hände.
»Vermutlich solche, auf die wir nicht eingehen werden. Wenn John triumphiert, ist doppelte Vorsicht geboten, als wenn er sich verteidigen muss. Wir brauchen einen für beide Seiten bindenden Frieden. Wir haben französische Ritter in London, und
Louis wird zu uns stoßen, aber die nahe Zukunft gleicht waberndem, sich ständig veränderndem Seenebel. Wir müssen uns in Ufernähe halten, auch wenn wir nicht an Land gehen.«
»Sag mir nur eins – hast du Lenveise den Befehl gegeben, sich zu ergeben, wenn der König vor unseren Mauern auftaucht? Ist es das, was du unter ›sich in Ufernähe halten‹ verstehst?«
Sein Vater senkte den Kopf, sodass Hugh nur noch seine Hutkrempe sah.
»Der König war schneller, als ich gedacht hatte«, räumte er ein. »Ich war davon überzeugt, dass sich niemand mehr in Framlingham aufhalten würde.«
Hugh schluckte heftig.
»Du hast die Kapitulation befohlen, obwohl du wusstest, dass sie noch dort waren?«
»Ich sagte Lenveise, er solle die Situation abschätzen und danach handeln. Sei nicht naiv. Wir sind ein gewisses Risiko eingegangen, und wir haben den Zeitpunkt falsch berechnet. Das ist alles.«
»Das ist alles?« Hugh erschauerte. »Was ist mit den Konsequenzen?«
»Mit denen werden wir fertig.« Jetzt sah sein Vater auf. Seine grauen Augen blickten hart und unnachgiebig.
Hugh stieß vernehmlich den Atem aus, ehe er sich mit geballten Fäusten abwandte.
Er fand Mahelt in einer Kammer hinter der Halle, in der sie für gewöhnlich Gäste unterbrachten. Sie lag mit dem Rücken zu ihm auf dem Bett und hatte die Arme um Hugo und das Baby geschlungen. Ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig, aber Hugh konnte nicht sagen, ob sie wirklich schlief oder nur so tat. Er setzte sich auf die Bettkante und betrachtete die drei, wohl wissend, dass es eigentlich vier sein sollten.
»Es tut mir leid.« Er strich über ihren schimmernden Zopf. »Ich weiß, dass ich ein heilloses Durcheinander angerichtet habe. Wir holen ihn zurück, das verspreche ich dir. Ich weiß, dass meine Schwüre in deinen Augen wertlos sind, aber diesen werde ich halten, und wenn es mich das Leben kostet.«
Sie gab keine Antwort, und er wusste nicht, ob er erleichtert oder enttäuscht sein sollte. Er sah den Bluterguss auf ihrer Wange, und während er ihn anstarrte, kam er sich vor, als wäre er derjenige gewesen, der sie geschlagen hatte.
42
Priorei Bradenstoke, Wiltshire, April 1216
Mahelt kniete mit Ela an ihrer Seite in der Kirche der Augustinerpriorei von Bradenstoke vor den Gräbern ihrer Großeltern. John FitzGilbert und seine Frau Sybilla ruhten unter gemeißelten Blöcken aus Purbeck-Stein, ihr ältester Sohn zwischen ihnen. Auch Mahelts und Elas Urgroßeltern, Walter of Salisbury und Sybire de Chaworth lagen hier begraben, ebenso wie andere Mitglieder ihrer Familie.
Mahelt schenkte dem Grab ihrer Großmutter Sybilla besondere Aufmerksamkeit, denn diese war auch gezwungen gewesen, ihren kleinen Sohn als Geisel zu stellen. Mahelts Vater hatte sein Martyrium überlebt. Aber was hatte Sybilla empfunden, als ihr Sohn ihr von den Feinden entrissen worden war? Hatte sie auch gemeint, ihr Herz müsse aufhören zu schlagen? Ihr Vater sprach selten über diese Zeit, aber andere erzählten genüsslich die Geschichte, wie er beinahe gehängt worden war. Mahelt versuchte, nicht darüber nachzugrübeln, aber die Vorstellung peinigte sie dennoch in ihren Träumen.
Seit der Einnahme Framlinghams war nichts entschieden worden. Hugh und sein Vater hatten Männer und Geldmittel aus den Teilen ihrer Ländereien zusammengezogen, die nicht besetzt oder ausgeplündert worden waren. Um Zeit zu schinden, hatten sie John Botschaften geschickt, dass sie die Vor-und Nachteile seines Angebots erwogen. Roger war immer noch als Geisel in Norwich, aber Mahelt schmiedete bereits
Pläne zu seiner Rettung und war nach Bradenstoke gekommen, um sie am Grab ihrer Großmutter noch einmal zu überdenken. Sie hatte ein Opfer von einer Silbermark mitgebracht, die für Almosen verwendet werden sollte, und hatte für vierzehn Pfund Bienenwachs für Kerzen bezahlt. Jetzt küsste sie die Frühlingsblumengirlande in ihrer Hand und legte sie als persönliches Geschenk ehrerbietig auf das Grab ihrer Großmutter. Ein paar feuchte Blütenblätter fielen auf den Stein. Mahelt bekreuzigte und erhob sich. Dann verließ sie die Kirche und trat in den fahlen Sonnenschein hinaus. Ela folgte ihr, und die beiden Frauen blieben einen Moment
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