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Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)

Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Chadwick
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Jungfrau gibt mir Kraft.«
    Da ihr just dieser Glaube im Augenblick abging, zog Mahelt es vor, nichts darauf zu erwidern. Sie zog ihre Kraft aus der Verehrung ihrer weiblichen Vorfahren, die in ihrem Leben einen nahezu übermenschlichen Mut hatten aufbringen müssen. Sie schwor sich, ihnen keine Schande zu machen und in sich die Stärke zum Überleben zu finden.
     
    Rogers Zähne klapperten, und er zitterte so heftig, dass er meinte, seine Knochen müssten gleichfalls in seinem Körper gegeneinanderschlagen. Er hatte keinen festen Umhang, der ihn vor dem kalten Frühlingsregen schützte; sein bester mit dem warmen Futter war in Framlingham zurückgeblieben, als sie ihn nach Norwich gebracht hatten. Er hatte Norwichs Burgvogt Henry Beleset gehasst, weil er ihn grob behandelt und ihn eingesperrt hatte, wenn er ihm nicht gerade niedere Arbeiten wie Pferdegeschirre polieren oder Ställe ausmisten übertragen hatte. Einmal war er aus seiner Zelle gezerrt worden, und er hatte zusehen müssen, wie Rebellen gehängt wurden, während Beleset angedeutet hatte, dasselbe könne ihm und seiner Familie widerfahren, wenn der König es befahl. Er sehnte sich nach seiner Mutter, seiner Großmutter, Hugo und sogar nach Baby Isabelle, obwohl sie oft weinte und jedes Mal, wenn sie hochgenommen wurde, Milch ausspuckte. Er sehnte sich nach Fröhlichkeit, Zärtlichkeit und Trost; er vermisste seinen Vater, der seine Ängste immer verstand und zerstreute oder ihm half, sie zu begreifen. Und er war ständig hungrig und durstig. Beleset sorgte zwar dafür, dass er regelmäßig zu essen erhielt, aber seine Mahlzeiten bestanden fast nur aus Knorpeln und Fett  – genug, um ihn am Leben zu erhalten, aber ein mehr als
zweifelhafter Genuss. Roger war es gelungen, den Fraß hinunterzuwürgen, indem er sich einredete, es seien die üblichen Soldatenrationen und er würde eben genauso behandelt wie die erwachsenen Männer. Dabei kam er sich vor wie der Held der Geschichten, die sein Onkel Ralph ihm über seine Gefangenschaft in Frankreich erzählt hatte.
    Gestern war ein Mann gekommen, der befohlen hatte, ihn von Norwich zu einem Ort im Süden namens Sandwich zu bringen. Er war von einem großen, graubärtigen Söldner namens Faulkes de Breauté abgeholt worden, der ihn an den Armen gepackt und hochgerissen hatte. Dann stierte er ihm in die Augen und sagte grimmig:
    »Ein falsches Wort von dir, du elende kleine Ratte, ein Jammern oder Murren, und du baumelst an einem Strick, verstanden?«
    Roger wollte sich nicht einschüchtern lassen, er nickte und blickte dem Söldner furchtlos in die schwarzen Augen. De Breauté setzte ihn mit einem mürrischen Grunzen ab, und Roger rieb seine schmerzenden Arme erst, als der Mann ihm den Rücken zugekehrt hatte.
    Sie waren eineinhalb Tage gereist. Letzte Nacht hatten sie ihre Zelte am Straßenrand aufgeschlagen. Roger hatte geholfen, die Leinenplanen auseinanderzufalten, und Feuerholz geholt. In mancher Hinsicht genoss er das Zusammensein mit den Männern, denn er konnte so tun, als sei er erwachsen. Er hatte die Pferde mit versorgt, das Feuer geschürt und den Eintopf in dem Kessel umgerührt. De Breauté hatte ihn mit finsterer Miene beobachtet und im Vorübergehen halbherzig nach ihm getreten, ihn aber ansonsten in Ruhe gelassen, wofür Roger dankbar war. Er hatte gehört, wie der Söldner sich bei einem Kameraden beklagt hatte, dass er kein Kindermädchen sei und es für unter seiner Würde halte, auf den Balg eines
Lords aufzupassen. Roger seinerseits empfand es als Herabsetzung, dass man ihn in die Obhut eines so ungehobelten Mannes gegeben hatte, und ging ihm nach Möglichkeit aus dem Weg oder strafte ihn mit Nichtachtung, wenn ihm dies nicht gelang.
    Jetzt erkannte er ringsum allmählich vertrautes Territorium: den Pfad, der zum Feldballplatz abzweigte; das Haselwäldchen, in dem sein Hund einen Fuchs erlegt hatte; den hohlen Baum, den er im letzten Sommer als Geheimversteck benutzt hatte. Obwohl er bis auf die Knochen durchgefroren war, stieg freudige Erregung in ihm auf, als sie sich Framlingham näherten. Vielleicht durfte er zu seiner Mutter, Hugo und seiner kleinen Schwester zurückkehren? Vielleicht war sein Vater auch da? Er erwog, de Breauté zu fragen, aber ein Blick auf den verdrossen verzogenen Mund des Söldners, der von bläulichen Bartstoppeln umgeben war, hielt ihn davon ab.
    Der Regen prasselte unaufhörlich auf sie herab, rann an Rogers Nacken herunter und tropfte aus seinem Haar auf

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