Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
andererseits konnte es sich sein Schwiegervater nicht leisten, zu weit zu gehen, denn er musste seine Interessen in Frankreich wahren, und selbst ein verletzter Hund konnte noch beißen.
Louis kehrte zum Tisch zurück, griff nach der Liste der Forderungen und überflog sie mit zusammengekniffenen dunklen Augen.
»Nun gut«, murrte er. »Wenn sie den Umhang zulassen, werde ich kommen und mit ihnen verhandeln.« Sein Blick heftete sich auf Hugh. »Aber wenn ich diesen Preis zahle, verlange ich eine Gegenleistung.«
Im Herrenhaus der Familie in Caversham umarmte Mahelt ihren Vater und registrierte erschrocken, wie erschöpft er aussah. Neue Falten zerfurchten sein Gesicht, und eine alte Kampfwunde bereitete ihm offenbar Schmerzen, denn er hinkte, aber er lächelte sie an, und als er sie umarmte, kam sie sich vor, als wäre sie nach Hause zurückgekehrt.
Ihre Augen begannen feucht zu schimmern, woraufhin ihr Vater leise lachte.
»Wir haben einige Stürme überstanden«, sagte er. »Wozu also die Tränen?«
»Ich weine ja gar nicht«, widersprach sie heftig. »Oder höchstens vor Wiedersehensfreude. Es ist so lange her.«
Sie ging zu ihrer Mutter und ihren Geschwistern. Bis auf Richard, der sich in der Normandie aufhielt, waren alle versammelt. Will wirkte gut gelaunt, obwohl er an einem Stock ging, nachdem ihm sein Schlachtross vor zwei Tagen auf den Fuß getreten war und er sich drei Zehen gebrochen hatte. Er drückte Mahelt an sich und begrüßte sie mit seinem etwas überheblichen Lächeln, obgleich sich darin im Gegensatz zu früher kummervolle Erfahrungen widerspiegelten. Wie Longespee war auch er wieder zum englischen Königshaus übergelaufen, nachdem sein Vater die Regentschaft übernommen hatte, und in den darauffolgenden Monaten hatte sich die Kluft zwischen ihm und seinen Eltern allmählich geschlossen.
Johns Tod hatte diesen Heilungsprozess ermöglicht, sodass die Atmosphäre am heutigen Tag merklich lockerer war als sonst, obwohl die Narben immer noch schmerzten.
Ihr Vater fuhr Roger durch das Haar, nachdem dieser sich formvollendet vor ihm verbeugt hatte.
»Acht Jahre alt und schon ein viel versprechender kleiner Ritter.« Er tat dasselbe mit Hugo und beobachtete seine blonde Enkelin mit liebevoller Belustigung. Danach tauschte er mit Hugh den Friedenskuss. Gemeinsam betrat die Familie die Halle und setzte sich, der Welt ein Bild der Einheit bietend, zum Essen nieder.
Während der Mahlzeit wurde nur über gesellschaftliche Themen und Familienangelegenheiten gesprochen. Es galt, die verlorenen Jahre nachzuholen und in das Hier und Jetzt einzuweben, obwohl Mahelt wusste, dass Worte den tatsächlichen Erfahrungen nicht gerecht wurden und viel zerstört worden war.
Nach dem Essen brachen William und Hugh zu einem Ritt über das Gutsgelände auf, während Will mit Roger und Hugo nach draußen ging, um ihnen gemeinsam mit seinen Brüdern eine Unterrichtsstunde im Schwertkampf zu erteilen. Die Frauen zogen sich in Isabelles behagliche Kammer über der Halle zurück. Mahelt blickte aus dem Fenster. Ihr Vater und Hugh ritten nebeneinander, der Marschall auf seinem bevorzugten Kastanienbraunen, Hugh auf Hebon. Zwei Jagdhunde des Marschalls folgten ihnen.
Wie üblich sprühte Roger nach dem Essen vor Energie und rannte zur Belustigung seiner Marshal-Onkel brüllend und sein Spielzeugschwert schwingend im Hof herum.
Mahelt legte eine Hand auf ihren Bauch und bemerkte erst jetzt, dass ihre Mutter sie eindringlich beobachtete.
»Diese Geste kenne ich«, stellte Isabelle sachlich fest.
»Im Moment ist es nur eine Hoffnung«, gab Mahelt zurück. »So wie dieser Frieden. Es kann ein Trugschluss sein, aber ich bete, dass dem nicht so ist.«
»Ich auch.« Ihre Mutter machte ein nachdenkliches Gesicht, dann küsste sie Mahelt auf die Wange.
»Dein Vater braucht mehr Ruhe. Manchmal möchte ich ihn in Fesseln legen. Er ist über siebzig und bürdet sich viel zu viel auf.«
Mahelt runzelte besorgt die Stirn.
»Geht es ihm denn gut?«
»Soweit ich es beurteilen kann, ja.« Isabelle winkte entnervt ab. »Du weißt ja, wie er ist. Er weigert sich, auch nur das kleinste Zugeständnis zu machen, und hört nicht auf mich, wenn ich ihn bitte, kürzer zu treten. Will nimmt ihm so viel ab, wie es geht.«
»Ich bin froh, dass ihr euch wieder versöhnt habt.«
Das Gesicht ihrer Mutter verfinsterte sich einen Moment lang, als Erinnerungen in ihr aufstiegen, dann fasste sie sich und nickte.
»Es war für alle eine
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