Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
ihre Hände in die seinen nahm. »Dein Vater ist in England. Er ist vom König aus Irland zurückbeordert worden.«
Sie hatte erwartet, sich gegen lächerliche Beschuldigungen ihres Schwiegervaters zur Wehr setzen zu müssen, und Hughs Worte trafen sie völlig unverhofft. Sie wusste nicht, ob sie vor Freude jubeln oder Furcht empfinden sollte.
»Warum? Sind meine Mutter und meine Geschwister auch wieder da?«
Hugh schüttelte den Kopf.
»Nein, sie befinden sich noch in Irland. Aber dein Vater wurde vor den König befohlen, um bezüglich eines Zwistes zwischen ihm und Meilyr FitzHenry Rede und Antwort zu stehen.«
Mahelt warf den Kopf zurück.
»Ich weiß über diesen Zwist Bescheid. Er ist einer der Gründe, dass mein Vater überhaupt nach Irland gereist ist. Meilyr FitzHenry hat unser Land gestohlen. Ihm muss Einhalt geboten werden, ehe uns nichts mehr bleibt.« Ihre Augen verdunkelten sich vor Zorn. »Wie kann er es wagen, als Justiziar von Irland ehrliche Männer zu bestehlen! Das ist kriminell.«
»FitzHenry ist auch an den Hof zitiert worden, ebenso wie einige der irischen Vasallen deines Vaters … aber ich fürchte, es gibt Schwierigkeiten.«
Sie begann plötzlich zu frösteln.
»Was für Schwierigkeiten?«
Hugh seufzte.
»FitzHenry hat den Hafen deines Vaters in Newton geplündert und seine Männer angegriffen.«
»Dieser Hurensohn!« Mahelt setzte sich kerzengerade auf, ihre Augen sprühten Feuer. »Diese feige Ratte! Wie kann er es wagen!« Sie zitterte vor Wut und Angst. »Mein Vater wird ihm das nicht ungestraft durchgehen lassen. Er wird ihn dafür zur Rechenschaft ziehen!«
»Er hat seine besten Männer zum Schutz deiner Mutter und deiner Geschwister zurückgelassen«, versicherte Hugh ihr. »Jean D’Earley hat den Oberbefehl, er ist stark und deinem Vater treu ergeben.« Er verschwieg, dass ihr Vater am Hof gefangen und praktisch machtlos war. Der Marschall konnte ohne Johns Erlaubnis nicht nach Irland zurückkehren, und in der Zwischenzeit konnten FitzHenrys Handlanger nach Belieben Unheil stiften. Der König hielt jetzt nicht nur Mahelts zwei Brüder fest, sondern auch noch ihren Vater. Sein Vater machte sich größte Sorgen über mögliche Folgen für seine eigene Familie, und Hugh ängstigte sich um Mahelt. Wer wusste schon, ob und wann die Situation eskalierte? Es mochte mehr als dieser Sache bedürfen, um den Marschall zu Fall zu bringen, aber was hier geschah, bewies, wie gefährlich es war, auf der falschen Seite eines unberechenbaren, rachsüchtigen Königs zu stehen.
»Dein Vater steht das schon durch.« Er ließ sich seine Bedenken nicht anmerken. »Er hat viele Freunde und Anhänger. Wir werden dich hier in Framlingham beschützen. Dir wird nichts geschehen.«
Mahelt zuckte gereizt die Achseln, weil sie das im Moment überhaupt nicht interessierte. Sie wollte kämpfen. Das Fest, das Singen und Tanzen erschienen ihr plötzlich dumm und lächerlich
und ihre Arbeit am Essenskessel eine Zeitverschwendung, weil sie ihrem Vater damit nicht half. Ihr Hass auf John war so stark, dass sich ihr Magen schmerzhaft zusammenkrampfte.
»Longespee schreibt, dass dein Vater versucht hat, dem König die Erlaubnis zur Rückkehr nach Irland abzuringen, John sich aber stur stellt. Im Moment können wir nichts tun als abwarten.«
Mahelts Züge verzerrten sich. Abwarten war eine schlimmere Strafe als Näharbeiten. Ihre ruhelose Energie und Ungeduld verlangten danach einzugreifen, und dass sie nichts tun konnte, machte sie fast wahnsinnig. Sie sprang auf, weil sie dringend Bewegung brauchte, und lief mit weit ausgreifenden Schritten wie ein Mann davon, wobei sie sich wünschte, sie wäre wirklich ein Mann und könnte ihre Feinde mit einem Schwert in Stücke hacken.
Am See blieb sie endlich stehen. Eine Stockentenfamilie flatterte erschrocken quakend davon. Mahelt presste die Lippen zusammen. Ihr Kopf dröhnte, und ihre Augen brannten. Hugh war ihr gefolgt und legte wortlos einen Arm um ihre Schultern.
»Der König wird nicht siegen«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist.« Und dann schmiegte sie sich Trost suchend an ihn und barg das Gesicht in der weichen Wolle seiner Tunika.
14
Thetford, Norfolk, Oktober 1207
Einen Monat später verlegte Earl Roger seinen Haushalt für einige Tage nach Thetford, und Hugh nutzte die Gelegenheit, mit seinen Brüdern und einigen Rittern im Wald auf die Jagd zu gehen, damit sie die Vorratskammern mit
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