Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
William Marshal glich dem Balancieren auf rohen Eiern. Mit dem Sonnenuntergang hatte ein kühler Wind eingesetzt, und er blieb stehen, um seinen Umhang enger um sich zu schlingen. Richard kam aus dem Zelt, holte ihn ein und nahm ihn am Arm.
»Du hast uns wirklich gute Neuigkeiten gebracht«, sagte er. »Will freut sich auch, aber er kann es nicht zeigen. Achte einfach nicht darauf.«
Hugh sah seinen ernsten, sommersprossigen Schwager eindringlich an.
»Schon gut«, erwiderte er. »Und das Angebot, uns zu besuchen, bleibt bestehen. Ich möchte, dass mein Sohn seine Marshal-Onkel kennen lernt.«
Richard grinste.
»Ist das eine vernünftige Bemerkung für einen jungen Vater?«
Hugh musste gleichfalls lachen. Sein Herz wurde leichter, und er schlug dem jungen Mann auf die Schulter.
»Unter den gegebenen Umständen vermutlich nicht. Ich hoffe, ich bereue es nicht.«
»Sicher nicht.«
Hugh zuckte unverbindlich die Achseln.
»Wir werden sehen«, sagte er, ehe er sich abwandte. Und als
er anderen Freunden und Bekannten von seinem Glück berichtete, vergaß er Mahelts Brüder, denn ihm war, als erleuchte ein warmes Licht seine Welt, weil sie um ein neues kleines Lebewesen reicher geworden war.
Auf dem Heimweg kaufte Hugh Geschenke für Mahelt: ein Rubinkreuz an einer Goldkette, einen Gürtel mit einer kunstvoll gearbeiteten goldenen Schnalle, einen seidenen Kopfputz und passende Bänder sowie einen Beißring und eine Rassel für das Baby. Das Übermaß seiner Liebe wirkte sich auf seine Börse aus, und er musste sich zügeln, denn während Erstere unerschöpflich war, verhielt es sich mit Letzterer bei weitem nicht so. Sein Vater war beim König geblieben, der Richtung Süden nach Marlborough reiten wollte, wohin all seine Kronvasallen befohlen worden waren, um ihm und seinem kleinen Sohn Henry den Treueeid zu leisten. Oberflächlich betrachtet herrschte Frieden, doch dieser Frieden war so zerbrechlich wie dünnes Glas.
Seine Mutter eilte ihm entgegen, als er in den Hof von Framlingham ritt. Sie strahlte über das ganze Gesicht, er hatte sie schon lange nicht mehr so lebhaft und glücklich gesehen. Sie umarmte ihn heftig, ihre braunen Augen leuchteten.
»Dein Sohn ist so hübsch … genau wie deine Frau!«, schwärmte sie, als die Stallburschen die Pferde davonführten. »Warte nur, bis du sie siehst!« Dann küsste sie ihn und schob ihn sacht von sich weg. »Geh zu ihnen, sie warten auf dich.«
Das Erste, was Hugh sah, als er die Kammer betrat, war die Wiege neben dem Bett. Er trat an sie heran und blickte von Staunen erfüllt auf seinen Sohn hinab. Mahelts gerundeten Bauch zu sehen und zu wissen, dass Leben darin heranwuchs, war etwas ganz anderes, als das Kind in der Wiege liegen zu sehen. Das Baby war nicht in Windeln gehüllt, sondern trug einen langen Leinenkittel. Es fuchtelte mit den Ärmchen
und Beinchen und gurgelte vor sich hin, als versuche es, sich an den Klang seiner Stimme und den Gebrauch seiner Gliedmaßen zu gewöhnen. Sein Haar war weich und dunkel, seine Augen blaubraun wie die seiner Mutter.
»Hallo, junger Mann«, sagte Hugh leise, dabei kitzelte er den Kleinen behutsam mit dem Zeigefinger unter dem Kinn. Das Baby gluckste und drehte den Kopf zu ihm. Vater und Sohn sahen sich an. Hugh war sicher, dass Roger ihn bewusst wahrnahm. Eine tiefe, warme Freude durchströmte ihn. Er drehte sich zu Mahelt um, die neben dem Bett stand und ihn lächelnd beobachtete.
»Ist er nicht schön?«, fragte sie stolz. »Und schon so kräftig und klug. Er hat versucht, nach dem blauen Edelstein deiner Mutter zu greifen, als sie sich zum ersten Mal über ihn gebeugt hat. Sie hat ihn über seine Wiege gehängt, siehst du?«
Hugh nahm sie in die Arme und küsste sie. Ihre Taille war wieder schmal, ihr Bauch jedoch immer noch leicht gerundet. »Geht es dir gut? War es sehr schlimm?«
Sie verzog das Gesicht.
»Die Hebammen haben gesagt, es wäre eine leichte Geburt gewesen, aber mir kam das während der Wehen gar nicht so vor. Ich hege größtes Mitgefühl für meine und deine Mutter – und jede andere Frau, die das Jahr für Jahr erdulden muss. Diese Tortur ist die gerechte Strafe für Evas Sünde!« Sie lehnte sich über die Wiege und hob das Baby heraus. »Aber sie hat sich gelohnt.« Sie nahm den Kleinen geschickt auf den Arm, denn als ihre Schwestern geboren wurden, war sie schon alt genug gewesen, um sich um sie zu kümmern, daher war sie an den Umgang mit Kindern gewöhnt. Auch Hugh, der
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