Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
Älteste von zahlreichen Geschwistern, kannte keine Berührungsängste. Er kitzelte das Baby erneut unter dem Kinn und lachte, als es zu zappeln begann.
»Ich verspreche dir, dir diese Last nicht jedes Jahr aufzubürden, aber ich kann mich über das Ergebnis nicht beklagen.« Wieder küsste er sie. Im Moment zählte für ihn nichts anderes auf der Welt, als dass er zu Hause bei seiner Frau und seinem Sohn war.
21
Framlingham, Dezember 1209
Der Boden war hart gefroren, die Luft schneidend kalt. Das Wintersonnenlicht warf einen rötlichen Schein über den Hof, wo die Männer mit ihren Schwertern Übungskämpfe austrugen. Ihre Körper waren in Dampfwolken aus Schweiß gehüllt. Mahelt saß am Fenster und verfolgte das Geschehen zusammen mit Ela, Ida und anderen Frauen des Haushalts.
In Idas Stimme schwang ein wehmütiger Unterton mit, als sie sich an Ela wandte.
»Du weißt, dass du herzlich eingeladen bist, bis zum Weihnachtsfest zu bleiben.«
Ela neigte den schmalen Kopf.
»Danke, Mutter. Ich würde die Einladung ja gern annehmen, aber der König erwartet meinen Mann am Hof.« Sie klang, als würde sie es ehrlich bedauern, wahrte aber eine unbeteiligte Miene, als sie vom König sprach.
»Ja, natürlich.« Ida verbarg ihre Enttäuschung hinter einem gezwungenen Lächeln. »Wenigstens könnt ihr euch nach Herzenslust amüsieren, solange ihr hier seid.«
»Soll das heißen, dass sie sich am Hof nicht amüsieren?«, fragte Mahelt mit einem teuflischen Funkeln in den Augen. Weihnachten stand vor der Tür, und Longespee und Ela waren für einige Tage zu Besuch gekommen, bevor sie zu dem Fest im Königspalast von Windsor weiterreisten. Es hatte die üblichen unterschwelligen Spannungen gegeben, aber alle Beteiligten
hatten sich zusammengenommen, sodass es bislang zu keinem unerfreulichen Zwischenfall gekommen war. Ela hatte den kleinen Roger in ihr Herz geschlossen. Sie liebte es, ihn zu herzen und ihn zum Glucksen zu bringen. Mahelt war nicht entgangen, dass Longespee seine Frau und das Baby oft mit einem Blick bedachte, in dem sehnsüchtiges Verlangen und Widerwille zugleich lagen. Sie vermutete, dass er keinesfalls länger als die für den Besuch eingeplanten Tage bleiben würde, weil er Weihnachten am Hof leichter ertragen konnte als hier.
Ida errötete.
»Natürlich nicht, aber am Hof haben sie mehr Pflichten und Verantwortung. Hier sind sie sowohl Familienmitglieder als auch willkommene Gäste.«
Mahelt nahm die Rüge widerspruchslos hin und konzentrierte sich wieder auf die kämpfenden Männer. Das Klacken gegeneinanderprallender Schlagstöcke drang zu ihnen herauf, unterbrochen von lauten Ratschlägen und einem Kraftausdruck von Ralph, der auf den Daumen getroffen worden war. Mahelt lächelte in sich hinein. Diesen Fluch kannte sie noch nicht. Sie würde ihn sich merken.
Unten im Hof hielt Hugh kurz inne, um Atem zu schöpfen. Die eisige Luft brannte in seinen Lungen, und obwohl er in seiner wattierten Tunika vor Anstrengung schwitzte, spürte er die bittere Kälte deutlich. Er hätte den Nachmittag lieber am Feuer verbracht, süße Kastanien geröstet, Geschichten erzählt und Lieder gesungen, aber Longespee hatte sich unbedingt im Freien Bewegung verschaffen wollen, und da er der Gast und sein Vorschlag bei Hughs Brüdern auf begeisterte Zustimmung gestoßen war, hatte er nachgegeben, um kein Spielverderber zu sein.
Als sein Atem wieder ruhiger ging, beobachtete er, wie sein Halbbruder das Langschwert, für dessen Handhabung er berühmt
war, durch die Luft wirbeln ließ und ein paar ausgefeilte Hiebkombinationen vollführte. Die anderen versuchten es ihm nachzutun, aber keiner verfügte über Longespees Geschick. Ralph, der sich gleichfalls eine Atempause gegönnt hatte, forderte Hugh zu einem Sparringskampf heraus. Hugh nahm an und wehrte Ralphs Angriffe bedachtsam und kräfteschonend ab. Longespee blieb mit in die Hüften gestemmten Händen bei ihnen stehen und sah mit kritischer Miene zu. Er schüttelte leicht den Kopf. Hugh entging nicht, dass ihm etwas auf der Zunge lag, und als er und Ralph sich voneinander lösten, ließ er sein Schwert sinken und drehte sich um.
»Hast du uns etwas zu sagen?«, erkundigte er sich keuchend. »Wir würden es wirklich gerne hören.«
Longespee verschränkte die Arme vor der Brust.
»Was Ralph angeht… er ist gut, sollte aber regelmäßig trainieren und mehr auf die Beine zielen, da er nicht so groß ist.«
Ralph errötete angesichts dieser Mischung
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