Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
Geschirr brauche ich nicht, ich
habe bessere. Sobald wir in Dublin sind, werdet Ihr eine Entschädigung erhalten.«
Mit zusammengepressten Lippen band Hugh Brunet los und übergab ihn Johns Pferdeknecht, der so höhnisch grinste, dass Hugh ihm am liebsten einen Faustschlag verpasst hätte. Aber er bezwang sich, obwohl er vor Wut kochte. Sowie sich der König entfernt hatte, machte sich Hugh auf die Suche nach Longespee und fand ihn in seinem Zelt, wo er gerade die gesteppte Tunika überstreifte, die er unter seinem Kettenhemd trug. Hugh drängte sich an den Knappen vorbei, die ihm beim Ankleiden behilflich waren. Ralph, der im hinteren Teil des Zeltes Ausrüstungsgegenstände sortierte, blickte erschrocken auf.
»Du hast ihm von meinem Pferd erzählt, nicht wahr?«, herrschte Hugh Longespee an, dabei trat er gegen einen ihm im Weg stehenden Stuhl. »Du konntest wieder einmal deinen Mund nicht halten! All dieses brüderliche Gerede am Feuer, der Wein, das Essen und die Kameradschaft – all das hat dir überhaupt nichts bedeutet. Es war nur ein Mittel zum Zweck!« Er war so zornig und fühlte sich verraten, dass die letzten Worte fast wie ein Schluchzen klangen.
Longespee stieg das Blut in die Wangen.
»Der König muss die irischen Könige versöhnlich stimmen und durch Diplomatie gefügig machen, das weißt du.« Sein Blick wanderte über Hugh hinweg, aber er vermied direkten Augenkontakt. »Würdest du lieber gegen sie als gegen unsere eigenen rebellischen Lords kämpfen? Ein Pferd ist ein geringer Preis für ihre Freundschaft.«
»Vor allem, wenn es nicht dein Pferd ist! Du würdest noch deine eigene Familie verkaufen!«
Longespee straffte sich.
»Ich bin der Sohn eines Königs, kein Bigod«, gab er eisig zurück.
»Du wirst großzügig entschädigt werden, dafür werde ich persönlich sorgen.« Ein verärgerter Ausdruck huschte über sein Gesicht. »Himmel, es ist doch nur ein Pferd!«
»Ja, ich erinnere mich. Das hast du schon einmal zu mir gesagt.« Hugh machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Zelt, bevor er nicht länger an sich halten konnte. Wenn er erst einmal die Kontrolle über sich verloren hatte, würde er nicht aufhören, bis er das Gesicht seines Halbbruders zu Brei geschlagen hatte. Er war versucht, Longespees Schlachtross mitzunehmen, entschied sich dann aber dagegen. Das Tier war auch nicht besser als sein Zweitpferd, und er kannte seine Eigenschaften nicht.
Ralph kam keuchend hinter ihm hergestürmt.
»Hugh, warte! Er hatte keine andere Wahl!«, rief er.
Hugh blieb stehen und drehte sich um.
»Unsinn«, sagte er wütend. »Er hat es mit voller Absicht getan, und das macht den feinen Unterschied aus!«
»Der König verlässt sich auf ihn und vertraut ihm. Er fühlt sich verpflichtet.«
»Betrachte es einmal von einer anderen Warte aus«, zischte Hugh. »Seine Position und seine Autorität hängen allein von Johns Wohlwollen ab. Er ist in sein königliches Blut verliebt, und wenn er könnte, würde er den bürgerlichen Teil von sich ein für alle Mal ausmerzen.«
»Er ist gut zu mir«, wandte Ralph ein.
»Weil du sein Diener bist, du Narr! Weil du deinen Platz in seiner Welt kennst – den Platz eines unterwürfigen, weit unter ihm stehenden Bigod! Versage ihm den Gehorsam, dann sieht die Sache schon ganz anders aus.«
»Das stimmt so nicht…«
»Natürlich nicht«, versetzte Hugh knapp. »Und es ist ja nur ein Pferd.«
Innerhalb einer Stunde trafen König Cathal von Connacht und seine Kriegertruppe im englischen Lager ein. Alle irischen Lords rühmten sich ihrer prachtvollen buschigen Bärte, einige waren so lang, dass man sie unter den Gürtel schieben konnte. Ihre Beine waren nackt, und sie trugen Kleider in gedämpften Rost-, Grün- und Brombeertönen, wodurch sie sich optisch an die Landschaft anglichen. Hier und da hob ein sattes Safrangelb Männer von Rang aus der Menge hervor. Sie konnten es sich leisten, Kleidungsstücke mit einer Pflanze zu färben, die kostbarer war als Gold.
König Cathal hatte einen breiten Mund, eine kurze Nase und helle, wache Augen, deren Winkel von Fältchen durchzogen waren, als würde er entweder viel lachen oder die Menschen in seiner näheren Umgebung stets scharf beobachten. In seinem Gürtel steckte ein langes Messer, dazu trug er ein prächtiges Schwert und einen verzierten runden Schild bei sich. John begrüßte ihn ehrerbietig und behandelte ihn wie einen geschätzten Gast. Hugh hatte gehört, dass John als junger Mann
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