Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
schlecht.«
»Es wird dir nicht gelingen, mich so betrunken zu machen, dass ich mich doch von ihm trenne«, sagte Hugh nur halb im Scherz, willigte aber ein, sich mit Longespee an das Lagerfeuer zu setzen. Die Flammen züngelten leise auf, das Holz knackte ab und zu, wenn das Fett der zwei darüber röstenden Enten nicht in den Tiegel unter dem Spieß, sondern in das Feuer tropfte. Hugh holte zwei Hornbecher aus seinem Zelt, und die Brüder stießen miteinander an. Hugh gab widerwillig zu, dass Longespee Recht hatte. Der Wein war stark und süffig und schmeckte nicht nach Essig, sondern nach Trauben.
Ein zweiter und ein dritter Becher folgten. Die Männer verzehrten eine Ente, tunkten Brot in das Fett und den Fleischsaft und leckten sich die Finger ab. Die Atmosphäre entspannte sich. Longespee legte sich angenehm gesättigt rücklings auf das Gras, dass seine Stiefel zum Feuer zeigten, bettete den Kopf auf seine verschränkten Arme und blickte zum Himmel empor, der so dunkel war wie das Fell einer schwarzen Katze.
»Denkst du auf Feldzügen manchmal an deine Frau?«, fragte er nach einer Weile.
Da Hugh den Mund voll Wein hatte, antwortete er nur mit einem zustimmenden Knurren.
»Ich muss ständig daran denken, was meine Ela wohl gerade tut«, sinnierte Longespee. »Ich stelle mir vor, wie sie ihren Schmuck ablegt und ihr Haar kämmt – es ist so dicht und schimmernd wie ein goldener Wasserfall. Dann streift sie ihr Gewand ab und schlüpft in ihr Nachthemd und ihr Bettgewand.« Er stieß ein widerstrebendes, schnaubendes Lachen aus. »Ich sage ihr immer wieder, dass sie viel zu viel anhat, aber mein Mädchen ist schamhaft – sie lässt mich noch nicht einmal ihre Knöchel sehen, wenn sie es verhindern kann. Aber sie kommt und setzt sich zu mir ans Feuer, und wir sprechen über unseren Tag, und dann weiß ich, dass ich wirklich zu Hause bin.«
Hughs Kehle schnürte sich plötzlich zu. Er dachte daran, wie es sich anfühlte, die Hände durch Mahelts kühle, dunkle Flechten gleiten zu lassen, und sah plötzlich einen lichtdurchfluteten Raum vor sich. Und er fragte sich, wie er wohl empfangen werden würde, wenn er nach Hause zurückkehrte. »Ich weiß, was du meinst.«
»Wir sind eigentlich beide sehr glückliche Männer, findest du nicht?«
»Allerdings«, erwiderte Hugh hölzern.
Longespee verlagerte sein Gewicht und legte sich bequemer hin.
»Kurz vor meiner Abreise sagte mir Ela, dass sie ein Kind erwartet.«
Aha, dachte Hugh. Daher rührte also diese plötzliche vertrauliche Kameradschaft.
»Meinen Glückwunsch!« Er trank Longespee mit aufrichtiger Freude zu. »Es ist wunderbar, seinen Erben in der Wiege liegen zu sehen.«
Longespees Lächeln wirkte stolz und ein wenig beklommen.
»Ich habe lange auf diese Nachricht warten müssen.« Hughs Denkprozess wurde durch den Wein verlangsamt, trotzdem begriff er, dass Longespee nicht so freimütig gesprochen hätte, wenn er nicht leicht betrunken gewesen wäre.
»Jetzt wird dich wohl gar nichts mehr aufhalten.«
»Hah – nichts außer Kriege, diplomatische Reisen und Pflichten am Hof!«
»Mag sein, aber so hat deine Frau Zeit, sich zu erholen – und Trennungen festigen die Liebe.« Seine Worte klangen sogar in seinen Ohren hohl und unaufrichtig.
Eine lange Stille trat ein, gefolgt von einem leisen Schnarchen: Longespee war eingeschlafen. Hugh empfand einen unerwarteten Anflug von Zuneigung für seinen Halbbruder. Er erhob sich, um seine Blase zu entleeren. Auf dem Rückweg blieb er erneut bei seinen Pferden stehen. Während er im Sternenlicht Brunets Nüstern streichelte, dachte er an Mahelt … und fragte sich, ob in ihr dieselbe Leere herrschte wie in ihm.
Am nächsten Abend saß John in seiner Kammer in Kilkenny und sah zu, wie seine Geistlichen ihre Schreibgeräte zusammenpackten. Die Fensterläden standen offen, um die milde Nachtluft einzulassen, und Motten und zartflügelige Fliegen
umschwirrten die Kerzenflammen. Ein irischer Harfenspieler war leise im Hintergrund zu hören. John spielte mit ein paar kleinen Würfeln aus Jett herum, obgleich die letzte Spielrunde gerade zu Ende gegangen war. Ein Stapel Silbermünzen zeugte von seinem Erfolg. Longespee saß ihm gegenüber. Er hatte die Ärmel seiner Tunika hochgekrempelt, sodass das dunkle Haar auf seinen Armen zu sehen war.
»So.« John maß ihn mit einem berechnenden Blick. »Wir bringen Ordnung in dieses rückständige Land. Wir unterwerfen die Vasallen, die zu mächtig
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