Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Enklave

Die Enklave

Titel: Die Enklave Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ann; Pfingstl Aguirre
Vom Netzwerk:
Ärger mehr machen und unsere Befehle befolgen würden. Das nächste Mal würde ich Bleich bei der Stange halten, und wenn ich ihm dafür von hinten eins überziehen und ihn hinter mir herschleifen musste.
    Mein Herz fühlte sich an wie Blei, aber dennoch ging ich voraus zu den Barrikaden. Die Wachposten hielten die Klappe, aber es waren dieselben wie am Tag zuvor, und einer der beiden grinste mich vielsagend an. Ich fragte mich, ob er den Befehl bekommen hatte, den blinden Balg höchstpersönlich zu töten. Aber ich wollte nicht darüber nachdenken, deshalb wandte ich den Blick ab und sprang über die erste Barriere.
    Die Regeln dienen zu unserem Schutz , sagte ich mir. Aber ich kam nicht hinweg über dieses bittere Gefühl in meinem Magen. Vielleicht hatte Stein doch das glücklichere Los gezogen, auch wenn er immer wieder um all die toten Bälger trauern musste. Zumindest bekam er keine Strafen wie diese aufgebrummt.
    Bleich landete neben mir, die Karte bereits in der Hand. Sein Schweigen brannte wie die heiße Klinge, mit der Zwirn die Schnitte auf meinen Armen verschlossen hatte. Immer noch schweigend schob er sich an mir vorbei und lief auf die erste Tunnelbiegung zu. Wenn ich nicht mithielt, würde er mich in der Dunkelheit alleine lassen, daran hatte ich keinen Zweifel.
    Wir rannten den ganzen Morgen ohne Unterbrechung. Unterwegs nippte ich immer wieder an meiner Wasserflasche.
Sie war aus einem leichten, stabilen Material gemacht, ein Relikt aus den alten Tagen. Irgendjemand hatte sie in den Tunneln aufgesammelt, zur Siedlung gebracht und saubergemacht. Schon als Balg war ich ganz versessen auf dieses Ding gewesen, weil ich wusste, wie wertvoll es für eine Jägerin sein würde. Immer wenn ich etwas Brauchbares in die Finger bekam, tauschte ich es sofort ein.
    Ich gewöhnte mich an das Laufen in der Dunkelheit, meine Füße dorthin zu setzen, wo Bleich es tat. Manchmal wurde die dreckige Brühe von Lichtstrahlen erhellt, die durch Risse in den Mauern drangen, aber das machte alles nur noch schlimmer. Dann konnte ich die öden Tunnel sehen, das dreckige Wasser, das sich in der Mitte sammelte, und das Getier, das sich hektisch vor unseren Füßen in Sicherheit brachte.
    Wie Bleich hatte ich mir die Route des vorigen Tages gemerkt und konnte deshalb überprüfen, wohin er mich führte. Ich hätte es ihm zugetraut, eine Route weg von College, weg von Nassau einzuschlagen, um mich dann in der absoluten Finsternis dem sicheren Tod zu überlassen. Erst am Tag zuvor war er mir verrückt genug erschienen, um dafür zu sorgen, dass es kein gutes Ende mit mir nahm, und zum ersten Mal fragte ich mich, wie sein erster Partner genau gestorben war.
    Er war nicht so gut, wie Seide behauptet hat , hatte Bleich gesagt. Aber vielleicht bedeutet das in Wirklichkeit, dass er von ihm enttäuscht gewesen war, weil er nicht die gleichen durchgedrehten, egoistischen Ideen im Kopf gehabt hatte wie er selbst. Vielleicht hatte der arme Tropf nur den Fehler begangen, zuallererst der Enklave zu dienen. Angst legte sich
um meinen Magen wie eine eiserne Faust. Ich würde verdammt aufpassen müssen, solange ich mit ihm allein hier draußen war. An ein paar Stellen auf unserem Weg roch ich Freaks, aber wir bewegten uns zu schnell, als dass sie uns hätten angreifen können. Stattdessen hörten wir nur ihr Kreischen und Heulen aus den angrenzenden Tunneln.
    Ich wusste nicht, wie lange wir schon so gerannt waren, doch irgendwann hielt Bleich plötzlich an, lange nachdem das Stechen in meiner Seite zu einem Brennen geworden war. Die Tunnel sahen hier anders aus, es gab mehr Relikte aus den alten Tagen, und die Wände waren beschmiert mit roter und schwarzer Farbe. Anscheinend drang der Rauch aus unserer Siedlung nicht bis hierher vor. Wir waren in der Wildnis.
    An der rechten Tunnelseite befand sich ein schmaler Sims; wir kletterten hinauf und verließen den unwegsamen Boden mit den Metallstangen und den vielen Steinsplittern. Mit der Wand im Rücken konnten wir uns ausruhen, ohne uns Sorgen über Angriffe von hinten machen zu müssen. Ich öffnete meine Tasche und zog ein Stück getrocknetes Fleisch heraus. Es gab nicht viel Auswahl, nicht einmal in der Enklave: frisches Fleisch, getrocknetes Fleisch, Pilze.
    Ab und zu fanden wir Dosen, und wenn wir sie endlich aufbekommen hatten, roch der Inhalt gut und verlockend, aber das war die Ausnahme, nicht die Regel.
    Ich aß und trank ein paar Schluck Wasser. Unser Proviant musste bis Nassau reichen

Weitere Kostenlose Bücher