Die Enklave
Partners zu tun hatte?
Bleich musste meinen Gesichtsausdruck gesehen haben. Er grinste mich schief an. »Sie hat gesagt, wenn irgendjemand es schafft, mich zu überleben, dann du.«
Ah. Eine Anerkennung meiner Fähigkeiten also. Ich nahm es als Kompliment. Aber selbst wenn sie mich einmal gemocht haben sollte, hatte ich ihre Anerkennung verspielt. Sie glaubte, ich hätte Bleich darin bestärkt, ihre Autorität zu missachten, und im Grunde genommen … hatte ich das auch. Eine Jägerin zu sein war vollkommen anders, als ich es mir erträumt hatte. Nichts von der Zugehörigkeit, nach der ich mich so gesehnt hatte, und keine Spur von Respekt …
Als Gegenreaktion auf meine Niedergeschlagenheit hörte ich mich sagen: »Wir stehen das hier durch.«
Noch im Nicken wickelte Bleich sich in seine Decke und legte sich schlafen. Ich bewunderte diese Fähigkeit, denn ich hatte das nicht drauf. Ein Jäger musste sich an- und abschalten können, aber mir fiel es schwer, meine Gedanken abzustellen; meine größte Schwäche.
Durch die stillen Stunden hielt ich Wache. Bewegung hätte mir geholfen, wach zu bleiben, aber gleichzeitig hätte sie vielleicht auch Aufmerksamkeit auf uns gezogen. In meinem Kopf focht ich Trainingskämpfe aus, in denen ich gegen erfahrenere Jäger antrat. Wann immer ich konnte, hatte ich sie beim Sparring beobachtet und ihren Stil analysiert, das heißt, wenn sie mich nicht verjagten, weil ihnen der neugierige Balg auf die Nerven ging. Ich konnte mich nicht erinnern, Bleich jemals kämpfen gesehen zu haben, aber er zog es auch vor, sich nicht mit seinen Kollegen abzugeben.
Vor dem Einschlafen hatte er sich von mir weggedreht, aber jetzt hatte Bleich sich herumgerollt, und ich konnte sein Gesicht sehen. Zuerst versuchte ich noch, der Versuchung zu widerstehen, ihn genauer zu betrachten, weil ich wusste, dass es ihm nicht gefallen würde, aber es gab einfach nichts anderes zu tun. Er hatte anmutig geschwungene schwarze Augenbrauen, die im Kontrast zu seiner blassen Haut noch dunkler wirkten. Andererseits: Wir waren alle blass.
Ich schaute wieder weg und versuchte an etwas anderes zu denken. Unsere Fischbecken sorgten dafür, dass wir nicht hungern mussten wie andere Siedlungen, wenn das erlegte Fleisch knapp wurde. Von den Ältesten wusste ich, dass andere Enklaven uns um unsere Ressourcen beneideten. Das
war auch der Grund, warum wir unseren Handel beschränkten: Wir wollten nicht, dass zu viele Leute ein und aus gingen. Dadurch provozierte man eine Invasion regelrecht.
Schließlich fiel mein Blick wieder auf Bleich. Nase, Kinn und Kiefer waren scharf und kantig, und auch an seinen Wangenknochen hätte man sich schneiden können. Der Mund war das einzig Weiche in seinem Gesicht, und auch das nur, wenn er schlief. Mir gefiel dieses Gefühl nicht, das sich bei seinem Anblick in mir ausbreitete, seltsam und prickelnd.
Ich fühlte mich irgendwie unwohl und ging wieder dazu über, in die Dunkelheit zu starren. Ich war in seine Privatsphäre eingedrungen, und jetzt würde es mir noch schwerer fallen, einzuschlafen, weil ich befürchtete, dass er bei mir das Gleiche tun würde. Bei einem Einsatz galten die normalen Regeln nicht. In der Enklave wäre es uns nicht erlaubt, ohne Aufpasser so viel Zeit miteinander zu verbringen. Dadurch wurden Unfälle verhindert, die zu illegaler Fortpflanzung führten. Aber die Ältesten wussten, dass ein dreckiger, freakverseuchter Tunnel der letzte Ort war, an dem ein Jäger sich versucht fühlen würde, gegen die Regeln zu verstoßen.
Während der dritten Stunde meiner Schicht hörte ich ein schabendes Geräusch: Klauen auf Metall.
VERSTECK
Ich sprang auf und lockerte meine Waffen, dann stieß ich Bleich in die Rippen. Er wachte sofort auf und wollte schon fragen, was los war, aber ich hob nur einen Finger an die Lippen. Hör hin. Auch er bemerkte das verräterische Geräusch gleich und machte sich bereit zum Kampf.
Mit der Keule in der Hand ging ich an den Rand der Plattform, nahm meine Kampfstellung ein und wartete. Es hatte keinen Zweck, sich zu verstecken: Sie wussten, dass wir hier waren, schnüffelten und suchten uns. Ich konnte sie ebenfalls riechen. Sie stanken schlimmer als der verdreckte Waschraum, nach fauligem Aas und verrottendem Fleisch. Schon im nächsten Moment stürzten sie auf uns zu, rasend wegen des Geruchs von frischem Fleisch.
Sie kamen auf die Plattform gesprungen, und ich empfing den Ersten mit einem gewaltigen Keulenschlag. Mit einem nassen,
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