Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Enklave

Die Enklave

Titel: Die Enklave Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ann; Pfingstl Aguirre
Vom Netzwerk:
Mein Pech, dass ich ausgerechnet Bleich erwischt hatte.
    Es hatte keinen Sinn, weiter darüber nachzudenken. Ich hatte Dinge zu erledigen. Zuerst wusch ich meine verdreckten Kleider und hängte sie zum Trocknen auf. Als ich mich schließlich um meine Keule gekümmert hatte, sie sauber gewischt und poliert hatte, damit das Freakblut nicht ins Holz eindrang, war ich beinahe dankbar. Wir hätten härter bestraft werden können für die Befehlsmissachtung. Es bestand zumindest die Chance, dass wir diesen Marsch überlebten, solange wir nur leise und vorsichtig waren.

    Ich versuchte mich ein bisschen zu entspannen, bevor ich schlafen ging. Nachdem sie ihre Schichten beendet hatten, stöberten Fingerhut und Stein mich im Allgemeinbereich auf. Ich hockte da und schaute ein paar Zeugern und Schaffern zu, wie sie irgendein dämliches Ratespiel spielten. Die Jäger trafen sich woanders, aber ich hatte keine Lust, ihnen zu begegnen. Zum einen war Bleich vielleicht dort, und ich wollte ihn im Moment nicht sehen. Zum anderen war ich nicht sicher, was sie von mir hielten. Ich war immer noch ein Jungblut, noch dazu eines, das Ärger machte.
    »Stimmt es?«, fragte Stein flüsternd.
    Ich machte mir nicht die Mühe zu fragen, was sie gehört hatten. »Vermutlich.«
    »Ihr habt wirklich eure Patrouillenroute verlassen?«, fragte Fingerhut ungläubig.
    Es war schlimmer, als ich gedacht hatte. »Das haben wir.«
    Ein Teil von mir wollte Bleich die Schuld geben. Ich wollte so etwas sagen wie: »Es war nicht meine Idee. Er ist einfach losgerannt, und mein Job ist es, ihm zu folgen.« Aber ich hatte ihm auch nicht widersprochen. Ich hatte nicht geschrien: »Wohin willst du? Wir müssen da lang!« Meine instinktive Reaktion war gewesen, dem zu helfen, der dieses Geräusch machte, wer auch immer es sein mochte. Ich konnte mir einreden, ich wäre einem möglichen Hinweis auf Freaks nachgegangen, aber Freaks gaben keine Klopfzeichen. Sie griffen einfach an. Ich hatte da draußen eine Entscheidung getroffen, und jetzt musste ich mit den Konsequenzen leben. Stein und Fingerhut schauten mich geschockt und ungläubig an.
    »Warum?«, fragte Stein schließlich.

    Weil ich schwach bin. Ich bin keine Jägerin. Ich habe das Herz einer Zeugerin. Aber das hätte ich niemals laut ausgesprochen, weshalb ich auch nicht antworten konnte. Glücklicherweise fragten sie nicht weiter nach.
    Fingerhut tätschelte meinen Arm. »Wenigstens haben wir jetzt Neuigkeiten aus Nassau. Die älteren Schaffer haben sich schon gefragt, warum so lange keine Handelsabordnung mehr hier war.«
    Das mit dem Balg konnten sie nicht wissen. Oder vielleicht wussten sie es, und es war ihnen egal. So wie es mir egal sein sollte. Es war mein Fehler, ständig an sein kleines Gesicht und seine weißen Augen zu denken.
    »Stimmt es, dass sie euch morgen dorthin schicken?«, wollte Stein wissen.
    »Es stimmt. Nur zur Aufklärung.« Angeblich . Anscheinend waren mir meine Bedenken deutlich anzusehen.
    »Oh, Zwei«, flüsterte Fingerhut.
    Als sie mich von beiden Seiten in die Arme schlossen, wehrte ich mich nicht.

REISE
    Bei der Besprechung am Morgen mieden die anderen Jäger meinen Blick. Mit Bleich als Partner würde ich nie ihren Respekt bekommen oder ein Teil ihrer eingeschworenen Gemeinschaft werden, wie ich es immer gewollt hatte. Mein Zuspätkommen und die Tatsache, dass ich meine Patrouillenroute verlassen und den Nassau-Balg angeschleppt hatte, anstatt meine Befehle zu befolgen, machten alles nur noch schlimmer. Mit zusammengebissenen Zähnen ließ ich Seides Ansprache über mich ergehen, bis ich die vertrauten Worte hörte:
    »Hat jeder seine Aufgabe für den heutigen Tag verstanden? Dann gute Jagd.«
    Die anderen zogen los, doch Seide stellte sich vor Bleich und mich und versperrte uns den Weg. »Es ist ein harter Dreitagesmarsch. Ich erwarte euch in sieben Tagen zurück. Wenn ihr nicht auftaucht, gehe ich davon aus, dass ihr gefressen worden seid, und werde zwei geeignete Bälger an eure Stelle setzen. Ist das klar?«
    »Ja, Sir«, murmelten ich und Bleich gleichzeitig.
    »Habt ihr eure Ausrüstung fertig?«, fragte Seide.
    Wasser, getrocknetes Fleisch, eine Decke, eine Karte des Tunnelsystems, meine Ersatzkleidung und meine Waffen –
wenn es das war, was sie meinte, dann ja. Ich nickte. Zufrieden mit unserer Reaktion – und der Tatsache, dass wir angemessen eingeschüchtert waren – trat Seide zur Seite. Ich bin sicher, sie wusste, dass wir, sollten wir überleben, keinen

Weitere Kostenlose Bücher