Die Enklave
knackenden Geräusch gab der Schädel nach, Blut sprudelte aus der Wunde, dann fiel der Freak um und stand nicht wieder auf. Bleich streckte einen weiteren nieder, dann kamen die nächsten zwei heraufgeklettert, und wir zogen uns ein Stück zurück, um genügend Platz zum Kämpfen zu haben. Ich war unerfahren, und was ich am meisten hasste, waren die Augen der Freaks. In ihnen erkannte ich Überreste von
etwas Menschlichem, etwas, das ich begreifen konnte und das in einem Meer aus Hunger, Leid und Wahnsinn ertrank. Ich versuchte, dem Freak nicht in die Augen zu sehen, als er auf mich zusprang.
Nach einem ganzen Tag Laufen, ohne Schlaf, waren meine Reflexe langsam geworden, und ich konnte nicht schnell genug ausweichen. Klauen schlitzten meinen Arm auf. Die Erholungspause war vorbei. Mit einem Tritt hielt ich mir den Freak vom Leib. Immerhin war er so hart, dass ich das befriedigende Geräusch von brechenden Knochen hörte. Dann schickte ich einen harten Schwinger hinterher. Für ausgefeilte Techniken war ich zu müde. Bring es schnell zu Ende .
Das tat ich.
»Tut mir leid, dass du nicht zum Schlafen gekommen bist«, sagte Bleich schließlich, »aber wir müssen weiter.«
Er hatte natürlich recht: Die Kadaver würden nur noch mehr Freaks anlocken. Ich riss ein Stück Stoff von meinem Hemd ab, schnitt es mit meinem Dolch in Streifen und verband damit die Wunde an meinem Oberarm, um die Blutung zu stoppen. Keine Zeit für eine sorgfältigere Behandlung.
»Egal.« Ich packte meinen Beutel und sprang von der Plattform hinunter. Uns standen noch zwei weitere Tage dieser Art bevor. Und dann würde es noch schlimmer werden. »Warst du schon mal in Nassau?«
»Einmal«, antwortete Bleich und fiel in lockeren Trab.
»Wie ist es dort so?« Wahrscheinlich sollten wir uns besser nicht unterhalten, nicht einmal flüstern. Aber meine Neugier gewann die Oberhand, und die Worte lenkten mich von dem Schmerz ab.
Bleich zuckte die Achseln. »Wie in jeder Siedlung. Wie in eurer, nur schlimmer.«
Das dämpfte meinen Wunsch, noch mehr Fragen zu stellen. Wir waren schon eine ganze Weile unterwegs, als ich merkte, dass ich immer noch Bleichs Uhr trug. Ich war nicht ganz sicher, aber ich hatte das Gefühl, dass wir etwa seit einer Stunde rannten. Meine Augen fühlten sich trocken an, ich sah nur unscharf, und mein Kopf schmerzte. Wir sollten so weit laufen, wie wir konnten, aber irgendwann würde ich rasten müssen. Eine Stunde später stolperte ich.
»Das muss reichen«, sagte ich. »Ich muss schlafen.«
Wir standen in einem Tunnel, der in den letzten Jahren anscheinend wenig benutzt worden war. Kein wahrnehmbarer Freakgeruch. Ich hievte mich auf den Steinsims, der gerade breit genug war, um mich darauf auszustrecken, solange ich mich auf die Seite drehte. Bei weitem nicht der Komfort meiner ausgestopften Matratze zu Hause. Im Vergleich war meine Parzelle eine kuschelige Höhle, aber in diesem Moment hätte ich überall schlafen können.
»Meine Uhr?« Bleich streckte seine Hand aus.
Ich nahm die Uhr ab, und mein Kopf drehte sich vor Müdigkeit. Diesmal würde die Erschöpfung dafür sorgen, dass meine Gedanken nicht wieder zu rattern begannen. »Tut mir leid.«
Ich wickelte mich in meine Decke, drehte mich auf die Seite, legte den Kopf auf meinen Arm und zog die Knie an. Dann schloss ich die Augen. Es war mir vollkommen egal, ob Bleich mich beobachtete. Im nächsten Moment rollte der Schlaf über mich hinweg wie eine dunkle Flut.
Ich träumte von dem Balg mit dem schmalen Gesicht und den blinden Augen. Er blickte mich an, den Hals verdreht, als wäre sein Genick gebrochen. Mit ausgestreckten Armen stolperte er auf mich zu. Ich habe dir vertraut . Knochen schimmerten durch seine blassen, verkrümmten Finger.
Sie haben dich umgebracht.
Du hast mich umgebracht. Er war fast bei mir, und ich war wie gelähmt von dem Weiß seiner Augen. Und jetzt kannst du mich nicht noch mal töten. Die Toten kann man nicht umbringen .
Bleich weckte mich. Es fühlte sich an, als hätte ich nur einen Augenblick geschlafen, aber es musste länger gewesen sein. Er hätte mich nicht so geschüttelt, wenn die Zeit nicht um gewesen wäre. Röchelnd und zitternd schnappte ich nach Luft, dann merkte ich, wie kalt mir war, selbst unter der Decke. Mein Hemd klebte an meinem Rücken, durchnässt von Angstschweiß, und als ich versuchte, meine Ausrüstung zusammenzupacken, zitterten meine Hände.
»Du hast geschluchzt. Möchtest du reden?«
Ich
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