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Die Enklave

Die Enklave

Titel: Die Enklave Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ann; Pfingstl Aguirre
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hatte, nicht ein paar Informationen aus ihm herauslocken konnte. Andererseits, wenn ich das noch heute tat, würde er Verdacht schöpfen.
    Kupfer lief von Topf zu Topf, rührte und stocherte und schnitt. Ich aß im Stehen, viel später als die anderen Jäger, und ich behielt recht: Das Essen war gut. Diesmal hatte Kupfer irgendwas anders gemacht, dem Fisch unter den Pilzen noch etwas beigemischt, vielleicht etwas, das wir von den Tunnelbewohnern bekommen hatten. Der Essbereich war voller Bälger, ein Beleg dafür, wie lange ich gewartet hatte. Alle kicherten, weil ich mit ihnen aß.
    Ein Mädchen grinste mich an. »Erinnerst du dich noch, wie du an deinem Namensgebungstag gesagt hast, du würdest nie wieder mit uns essen?«
    Ich musste lächeln. »Die Runde geht an dich.«
    Mir war nicht nach Gesellschaft, also machte ich mich auf den Weg zu meiner Lumpenmatratze und legte mich hin. Doch leider war es mir nicht beschieden, in Ruhe gelassen zu werden. Ich hatte mich kaum hingelegt, da raschelte es an meinem Vorhang. Es folgte ein Räuspern.
    Mit einem unterdrückten Seufzen rappelte ich mich hoch und ging nach draußen. Bleich . Ich hatte ganz vergessen, dass wir ausgemacht hatten, uns im Allgemeinbereich zu treffen.
    »Was hast du zu Banner gesagt?«, fragte er wütend. Er sprach durch zusammengebissene Zähne, seinen Mund zu einem zornigen Strich verzogen. »Sie weint, und sie fürchtet sich zu Tode.«

    »Nichts!«
    »Wegen nichts wäre sie nicht so aufgeregt. Bist du zu Dreifuß gegangen? Oder zum Worthüter?« Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und presste sie an seine Hüften, als wollte er sie daran hindern, mich zu packen.
    »Nein!« Ich beugte mich näher an ihn heran, weil ich nicht riskieren wollte, dass jemand etwas mitbekam. »Hör zu, ich werd sie nicht verraten. Ich … ich halte es nur für keine gute Idee. Das ist alles.« Horten war bescheuert, riskant und gefährlich.
    »Warum sollte ich dir das glauben? An deinem Namensgebungstag bist du auch zu ihnen gerannt. Als wir von Nassau zurückkamen, hast du nicht mal geschlafen, weil du solche Angst hattest, verbannt zu werden. Willst du so leben? Hältst du das für richtig ?«
    Es verletzte mich, dass er mir nicht vertraute; mehr, als ich erwartet hatte, besonders nach dem, was wir zusammen durchgemacht hatten. Ich hatte ihm das Leben gerettet und er meins. Auf jedem einzelnen Schritt unserer Expedition hatten wir uns gegenseitig beschützt. Niemals hätte ich etwas getan, das jemandem schaden könnte, der ihm wichtig war, selbst wenn das Verhalten seiner Freundin rücksichtslos und dumm war.
    »Die Regeln sind dazu da, uns zu beschützen.« Aber ich sagte die Worte nicht mehr mit Überzeugung. Ich hatte zu viel gesehen.
    Der Zorn verflüchtigte sich etwas aus seinem Gesicht. »Sie ist völlig fertig. Könntest du mitkommen und mit ihr reden? Ich verspreche dir, dass wir dich in nichts hineinziehen.« Er zuckte die Achseln. »Ich hatte geglaubt, nach allem, was wir erlebt haben, würdest du vielleicht …«

    »Nein. Das kann ich nicht. Aber ich komme mit, um sie zu beruhigen.«
    Aber Banner war nicht in ihrer Parzelle. Auch nicht in der Küche, dem Allgemeinbereich oder der Werkstatt. Fingerhut warf mir einen seltsamen Blick zu, als ich zum zweiten Mal meinen Kopf hereinstreckte, aber ich winkte ihr nur kurz zu und ging weiter. Bleichs Gesichtsausdruck verfinsterte sich immer mehr, je rätselhafter das Ganze wurde.
    »Schaffer verlassen niemals die Enklave«, sagte er bestimmt.
    »Ich weiß. Vielleicht wäscht sie sich gerade?«
    »Sehen wir nach.«
    Der Waschbereich war der einzige Ort, an dem wir noch nicht gesucht hatten. Bleich kam mit, aber er konnte nicht mit hinein. Ich schlüpfte durch den Vorhang und fand den Raum dahinter dunkler und kälter vor als sonst. Ich hörte das Plopp, Plopp des Wassers und das Prasseln der Fackeln. Dann entdeckte ich Banner in einer Ecke. Komplett angezogen saß sie da, in sich zusammengesunken, und ignorierte das Wasser, das ihr auf den Kopf tropfte.
    »Bitte, mach dir keine Sorgen wegen mir. Du kannst mir vertrauen.«
    Als ich mich neben sie kniete und ihr eine Hand auf die Schulter legte, sank sie vornüber in eine Blutlache. Banner war nicht nur fertig, sie war tot.

BELOHNUNG
    Der Vorfall war allen egal. Die Ältesten ließen ihre Leiche in die Tunnel bringen, als Geschenk für die Freaks. Das war alles. Die Leute redeten über den Vorfall, aber alle waren sich einig, dass Banner Selbstmord begangen hatte.

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