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Die Enklave

Die Enklave

Titel: Die Enklave Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ann; Pfingstl Aguirre
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schönste Fleck in der ganzen Enklave, sogar schöner als das, was ich bisher vom Bereich der Ältesten zu sehen bekommen hatte.
    Ich achtete darauf, Bleich ja nicht anzublicken, und setzte mich neben Nagel. »Nur nicht nachtragend sein, Jungblut«, sagte er grinsend.
    »Bin ich nicht«, entgegnete ich mit einem Lächeln.
    Ich nahm an dem Spiel teil, mit dem sie sich gerade die Zeit vertrieben, und schwelgte in dem Vergnügen, einfach eine von ihnen zu sein. Zwei . Jägerin . Es war eindeutig der beste Tag in meinem Leben.
    Endlose Stunden später zog Seide mich beiseite. Sie lächelte. »Gern geschehen.«
    »Danke«, erwiderte ich. Ich fragte nicht, für was ich mich eigentlich bei ihr bedankte. Das Einzige, worauf es ankam, war, dass ich es tat.
    »Ich bin ihr Anführer.« Sie deutete auf all die Jäger, die
sich um Bleich versammelt hatten, um ihm zu gratulieren. »Ich habe ihnen gesagt, dass euch beiden verziehen wurde und ihr wieder Teil des Teams seid – dass ihr eure Strafe abgeleistet habt und ich nicht damit rechne, dass ihr noch weiteren Ärger macht.« Sie schwieg kurz. »Ich täusche mich doch nicht, oder?«
    Ah. Jetzt hatte ich begriffen. Sie wollte mich wissen lassen, dass Bleich nur akzeptiert war, weil sie es befohlen hatte, und wenn ich jetzt den Status einer Jägerin genießen konnte, dann nur wegen ihr. Was wiederum bedeutete, dass ich über Nassau und die Freaks – und die Tunnelbewohner – die Klappe zu halten hatte, wenn ich diese Dinge weiterhin genießen wollte. Es war nicht mein Job, zu denken oder zu planen. Ich war Jägerin, noch dazu ein Jungblut. Die wichtigen Dinge hatte ich den Ältesten zu überlassen. Je besser ich Seide kennenlernte – über die Heldenverehrung meiner Zeit als Balg hinaus –, desto weniger mochte ich sie. Aber vielleicht musste sie ganz einfach so sein, um alle bei der Stange zu halten.
    Ich schüttelte den Kopf. »Wir werden unsere Befehle strikt befolgen, Sir.«

OPFER
    Mehrere Wochen lang war die Moral hoch. Die Patrouillen verliefen relativ entspannt, wir schafften die Fleischquote, und ich genoss es, eine Jägerin zu sein. Außer gelegentlichen Scharmützeln mit den Freaks war alles ruhig. Doch ich hatte das schreckliche Gefühl, dass sie sich zur nächsten Enklave aufmachen würden, wenn sie Nassau erst einmal leer gefressen hatten. Das waren wir. Aber ich behielt meine Bedenken für mich.
    Das Desaster brach los, als ich es am wenigsten erwartet hatte. Und ganz anders, als ich gedacht hatte.
    An diesem Tag gehörten Bleich und ich zu den Letzten, die von ihrer Patrouille zurückkehrten. Wir hatten einen weiteren Weg als gewöhnlich zurücklegen müssen, um unsere Fleischbeutel zu füllen. Die Hälfte der Fallen war leer gewesen, was einigermaßen besorgniserregend war, aber wir schafften es, genug Beute zu machen, um uns Jäger nennen zu können. Außerdem töteten wir ein paar Freaks. Eine Tat, die kaum der Erwähnung wert war, denn sie waren ohnehin schon halb tot gewesen, nur noch Haut und Knochen und blutverschmierte Zähne.
    Als wir über die Tunnelsperre kletterten, wusste ich sofort, dass etwas nicht stimmte. Zum einen schauten die Wachposten
in die falsche Richtung. Sie drehten sich nur kurz um, um sicherzugehen, dass wir Menschen waren, dann wandten sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Allgemeinbereich direkt hinter ihnen zu.
    Ich schaute Bleich an, der achselzuckend seinen Beutel hochhob. Wir warfen das Fleisch auf einen Haufen zu den anderen Beuteln. Zwirn würde sich später darum kümmern. Dann gingen wir näher heran, um zu sehen, was los war. Der Worthüter hielt eine Gerichtsverhandlung ab, Dreifuß und Kupfer an seiner Seite. Ein großer Mann mit sandfarbenem Haar stand eingekesselt in der Mitte des Kreises. Jeder hatte seine Arbeit stehen und liegen lassen, um zu sehen, was passieren würde. Der Worthüter beobachtete, wie ich näher kam, und lächelte mich verschwörerisch an, als würden wir ein Geheimnis miteinander teilen.
    »Deine Anklage lautet auf Diebstahl und Horten«, sagte Dreifuß mit harter Stimme.
    »Bekennst du dich schuldig?«, fragte Kupfer.
    »Nein … ich habe nichts … das würde ich niemals tun!«
    Oh nein. Noch bevor ich nahe genug dran war, um Steins Gesicht zu sehen, erkannte ich seine Stimme. Er hielt einen Balg auf dem Arm, sein Gesicht verzerrt vor Angst.
    »Seide hat dies unter deiner Matratze versteckt gefunden.« Der Worthüter hielt eines der dünnen, bunten Bücher in die Höhe, die ich von den

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