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Die Enklave

Die Enklave

Titel: Die Enklave Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ann; Pfingstl Aguirre
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spreche.«
    Bleich beobachtete mich, als erwarte er, dass es tatsächlich so kommen würde, ganz egal was ich gesagt hatte. Er entspannte sich erst, als ich ihm den Dolch zurückgab. Ich ballte meine Hand zur Faust, um das Blut zurückzuhalten, aber stattdessen tropfte es zwischen meinen Fingern hervor.
    »Es tut mir leid«, sagte Bleich schließlich. »Sie war meine einzige Freundin, und ich brauchte jemanden, dem ich die Schuld geben konnte.«
    Nach der Nassau-Mission hatte ich geglaubt, wir wären Freunde. Mein Gesicht blieb ungerührt. Ich ließ mir nicht anmerken, wie tief mich seine Worte verletzten. »Vielleicht wäre es mir genauso gegangen, wenn es Fingerhut oder Stein erwischt hätte.«

    »Du meinst diesen großen Zeuger, mit dem ich dich manchmal sehe.«
    »Wahrscheinlich …«
    Er zögerte. »Ich hatte noch nie einen Partner, der sich so um mich gekümmert hat.«
    Jetzt hatte ich das Gefühl, dass ich zu weit gegangen war. Er hatte vor mir bereits zwei andere Partner gehabt, also wusste er besser, was normales Verhalten war. Vielleicht kümmerte ich mich zu sehr um ihn. Das war unangemessen, und Seide würde mich zur Zeugerin degradieren, wenn sie es herausbekommen sollte.
    »Ich muss zurück«, murmelte ich.
    »Noch nicht.« Er nahm sich die unsägliche Frechheit heraus und zog mir das Zopfband aus dem Haar, so dass es mir ins Gesicht fiel.
    »Warum hast du das gemacht?« Er schob die Strähnen aus meinem Gesicht, und mein Atem blieb stehen. Er berührte mich. Einfach so. Wir bewegten uns auf gefährlichem Gebiet. Wenn jemand uns beobachtete …
    »Ich wollte sehen, wie du aussiehst.«
    Zieh dich zurück , sagte ich zu mir selbst. Geh weg, jetzt . Aber ich stand wie angewurzelt da und blickte hinauf in seine dunklen Augen.
    Bleich neigte den Kopf und berührte meine Lippen mit seinem Mund. Seine Haare strichen gegen meine Stirn, glatt und erschreckend. Ich war wie gelähmt vor Schock. Vor Schock und noch etwas anderem. Ein Teil von mir wollte sich an ihn lehnen. So etwas sollte ich nicht wollen. Nicht eine Jägerin. Scham, Verwirrung und Sehnsucht kämpften in mir. Wider besseres Wissen ließ ich zu, dass meine Stirn seinen
Kiefer streifte. Einen Moment lang spürte ich seinen heißen Atem wie eine Umarmung. Dann riss ich mich los.
    »Was tust du da?«, fragte ich wütend.
    »Mich entschuldigen. Ich hab dich vermisst, Zwei. Und es tut mir leid, dass ich an dir gezweifelt habe.«
    Vielleicht hatte es nichts zu bedeuten. Vielleicht war es nur eine Entschuldigung, wie er behauptete. »Akzeptiert. Aber wenn du mich noch ein einziges Mal so falsch einschätzt …«
    »Verstanden.« Er lächelte. »Und jetzt komm. Wir verpassen den ganzen Spaß.«
    Zu meiner Überraschung nahm er meine Hand und führte mich zu den Tanzenden. Als Balg hatte ich nie geübt, aber ich lernte den Rhythmus schnell. In einer langen Schlange gingen sie im Kreis, und wir reihten uns hinten ein. Nach der zweiten Runde ließ Bleich meine Hand los und verschwand in einer Menge von Gratulanten.
    Ich tanzte, bis ich nicht mehr konnte. Ein Balg zupfte an meinem Arm. Als ich mich umdrehte, erkannte ich sie: Es war die, die mich in der Küche auf den Arm genommen hatte. Bis zu meinem Namensgebungstag hatten wir uns denselben Schlafsaal geteilt. In ihrem kleinen, schmutzigen Gesicht stand die gleiche Bewunderung geschrieben wie einst in meinem. Jetzt erinnerte ich mich auch an ihre Nummer.
    Ihre Augen leuchteten, als ich sagte: »Was gibt’s, 26?«
    »Glaubst du, dass ich auch einmal so gut kämpfen werde wie du?«
    »Wenn du hart trainierst und nie eine Stunde ausfallen lässt, kannst du es schaffen.«
    »Ich will keine widerliche alte Zeugerin werden«, vertraute sie mir an.

    »Das versteh ich. Wenn du es wirklich willst, kannst du es schaffen.« Es gab eine Zeit, da hätten diese Worte alles für mich bedeutet. Jungblute waren ständig damit beschäftigt, die älteren Jäger zu beeindrucken, und erfahrene Jäger hatten keine Zeit für Bälger.
    Nachdem 26 wieder davongehüpft war, folgte ich den anderen Jägern zu einem Bereich der Gassen, den sie ausschließlich für sich in Beschlag genommen hatten. Niemand außer den Jägern traute sich dort hinein. Selbst ich war noch nie dort gewesen, obwohl ich es gekonnt hätte. Fackeln erhellten die Dunkelheit und warfen flackerndes Licht auf die Kissen und erstaunlich bequeme Stühle, welche die Schaffer eigens für uns Jäger angefertigt hatten. Jäger waren wichtig, und dies war mit Abstand der

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