Die Entdeckung der Erde
weibliche Sklaven. (S. 303.)
Der unter Montezuma’s Herrschaft stehende Theil von Amerika hieß Anahuac und erstreckte sich zwischen dem 14. und 20. Grade nördlicher Breite. Etwa in der Mitte dieses Gebietes, welches der wechselnden Höhenlage wegen sehr verschiedene Temperaturen bietet, findet sich, etwas näher dem Pacifischen Ocean als dem Atlantischen, in einem Umfange von fünfundsiebzig Meilen und einer Meereshöhe von 7500 Fuß ein ausgedehntes Becken, das mehrere Seen enthält und unter dem Namen des Thales von Mexico – dem Namen der Hauptstadt des Reiches – bekannt ist.
Lagunen von Mexico. (Facsimile. Alter Kupferstich.)
Erklärlicher Weise besitzen wir nur wenig authentische Kenntnisse über ein Volk, dessen schriftlich aufbewahrte Geschichte durch unwissende »Conquistadores« und fanatische Mönche den Flammen übergeben wurde, weil Letztere vorzüglich mit tollem Eifer Alles zu vernichten suchten, was an die religiösen oder politischen Traditionen des unterjochten Volkes erinnern konnten.
Im 7. Jahrhundert von Norden herabziehend, hatten sich die Tolteken über das Plateau von Anahuac verbreitet. Es war das ein intelligenter, mit dem Landbau, mechanischen Künsten und der Bearbeitung der Metallen vertrauter Volksstamm, der die meisten jener prachtvollen und wahrhaft-riesigen Bauwerke aufgeführt hat, deren Spuren man noch heute in Neu-Spanien auffindet.
Nach einer Herrschaft von vierhundert Jahren verschwanden die Tolteken ebenso geheimnißvoll, wie sie einst gekommen waren. Ein Jahrhundert nachher wurden sie durch einen anderen, von Nordwesten herabgestiegenen wilden Volksstamm ersetzt, dem bald noch andere, auf höheren Bildungsstufen stehende Stämme nachfolgten, welche die toltekische Sprache gesprochen zu haben scheinen. Die berühmtesten dieser Stämme sind die Azteken und die Alkolhues oder Tezkukanen, welche mit Leichtigkeit den Rest von Civilisation in sich aufnahmen, der im Lande noch von den letzten Tolteken her vorhanden war. Die Azteken ließen sich, nach verschiedenen Wanderungen und Kriegszügen, seit dem Jahre 1326 im Thale von Mexico nieder, wo sie ihre Hauptstadt Tenochtitlan erbauten. In Folge eines Offensiv-und Defensiv-Vertrages zwischen den Staaten von Mexico, Tezkuko und Tlakoplan, dem man ein volles Jahrhundert lang streng nachkam, breitete sich die aztekische Civilisation, während sie sich früher nur auf die Grenzen des Thales beschränkte bald so weit aus, wie das Land zwischen dem Pacifischen und Atlantischen Ocean reichte.
In kurzer Zeit stiegen diese Völker zu einem solchen Grade der Civilisation empor, daß sie alle Stämme der Neuen Welt überragten. In Mexico gab es schon ein anerkanntes Eigenthumsrecht, der Handel stand in voller Blüthe und drei Arten verschiedener Münzen erleichterten den Verkehr. Das Polizeiwesen war geregelt und ein ganzes System mit vollkommener Sicherheit fungirender Relais vermittelte schnell die Befehle des Herrschers von einem Ende des Reiches bis zum anderen. Die Anzahl und Schönheit der Städte, die Größe der Paläste, Tempel und Festungswerke legen Zeugniß ab von einer weit vorgeschrittenen Civilisation, welche doch mit dem sonst wilden Stamme der Azteken in grellem Widerspruche stand. Man kann sich etwas barbarischeres und blutigeres als ihre polytheistische Religion kaum vorstellen. Die Priester bildeten eine sehr zahlreiche Kaste und übten, selbst bei rein politischen Fragen, einen weitgehenden Einfluß aus. Neben manchen rituellen Aehnlichkeiten mit der christlichen Religion, wie z.B. bezüglich der Taufe und des Glaubensbekenntnisses, bestand die ihrige aus einem dichten Gewebe des sinnlosesten und blutigsten Aberglaubens. So kam es, daß die zu Anfang des 14. Jahrhunderts aufgekommenen und zuerst nur seltenen Menschenopfer bald so häufig wurden, daß man die Zahl der geschlachteten Opfer im Jahresmittel auf zwanzigtausend schätzt, welche meist von den besiegten Völkern geliefert wurden. Unter gewissen Verhältnissen ward diese Zahl sogar noch beträchtlich überschritten. So fanden z.B. im Jahre 1486, bei Gelegenheit der Einweihung des Tempels von Huitzilopchit, nicht weniger als siebzigtausend Gefangene ihren Tod an einem einzigen Tage.
Die Regierung Mexicos war eine monarchische; mit den immer ausgebreiteteren Eroberungen wuchs aber die sonst ziemlich beschränkte Macht der Kaiser mehr und mehr und artete zuletzt in eine reine Despotie aus. Der Souverän ward stets aus derselben Familie gewählt
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