Die Entdeckung der Erde
darzubringen. Nun wandte sich Carpini nach Nordosten und erreichte Kiew, damals die Hauptstadt Rußlands und jetzt Hauptort des gleichnamigen Gouvernements, wobei er sich mancherlei Gefahren durch die in diesen Gegenden umherstreifenden, als Feinde des Kreuzes berüchtigten Lithauer aussetzen mußte.
Der Gouverneur von Kiew bewog die Gesandten des Papstes, ihre Pferde gegen tatarische Rosse zu vertauschen, welche gewöhnt sind, etwas Futter noch durch den Schnee zu wittern, und so erreichten die wohlberittenen Gesandten die Stadt Damilon. Hier erkrankten sie ernsthaft, erkauften jedoch kaum genesen, einen Wagen und setzten ihren Weg fort trotz der bittersten Kälte. In Kaniew am Dnieper angelangt, betraten sie das erste Dorf des Mongolenreiches. Von hier aus geleitete sie ein roher Hauptmann, den sie nur durch Geschenke etwas milder zu stimmen vermochten, nach dem Lager der Tataren.
Die Barbaren empfingen sie zuerst sehr schlecht, brachten sie aber vor den Herzog Correnso, der einen Vortrab von 60.000 Mann befehligte. Der General, vor dem sie nur knieend erscheinen durften, sandte sie seinerseits wieder unter der Obhut dreier Tataren an den Prinzen Bathy, dem mächtigsten Anführer nach dem Kaiser selbst.
Auf dem ganzen Wege waren Relais eingerichtet. Tag und Nacht und immer im scharfen Trabe ging die Reise vor sich. Der Franziskaner durchzog auf diese Weise das Land der Comanen, zwischen dem Dnieper, Tanaïs (Don), der Wolga und dem Jack, wobei er oft gefrorene Ströme überschreiten mußte, und gelangte endlich an den Hof des Prinzen Bathy, an der Grenze des Landes der Comanen.
»Als man uns zu dem Prinzen führte, sagt Carpini, that man uns zu wissen, daß wir zwischen zwei Feuern hindurch müßten, damit diese, wenn wir etwas Böses gegen ihren Herrn und Meister im Schilde führten oder etwa ein Gift bei uns hätten, alles das zerstören und unschädlich machen könnten, eine Bedingung, der wir uns widerspruchslos unterwarfen, um jede Spur eines Verdachtes fern zu halten.«
Der Prinz thronte inmitten seines Hofes und seiner Officiere in einem prächtigen Zelte aus feinster Leinwand. Er stand im Rufe größter Leutseligkeit gegen die Seinigen, aber der härtesten Grausamkeit im Kriege. Carpini und Etienne nahmen zu seiner Linken Platz.
Es war am Charfreitag. Die in die slavonische, arabische und tatarische Sprache übersetzten päpstlichen Briefe wurden dem Fürsten präsentirt. Dieser durchlas sie aufmerksam und schickte die Gesandten des Papstes nach ihrem Zelte zurück, wo man ihnen als einzige Mahlzeit einen kleinen Napf voll Hirse vorsetzte.
Am nächsten Morgen ließ Bathy die beiden Gesandten rufen und halfen ihnen, sich selbst zum Kaiser zu begeben. Mit zwei Führern reisten sie am Ostersonntag ab. Bei ihrer nur aus Hirse, Salz und Wasser bestehenden Nahrung kamen die armen Leute freilich bald von Kräften; dennoch mußten sie schnellstens vorwärts, wozu man täglich fünf-bis sechsmal die Pferde wechselte. Das Land der Comanen, welches sie durchzogen, war fast menschenleer, da die Tataren dessen Bewohner zum größten Theil verdrängt oder niedergemacht hatten. Die Reisenden kamen weiterhin in das Land der Kangiten, östlich von Comanien, wo an vielen Orten selbst das Wasser fehlt. Die wenigen Völkerstämme dieser Provinz beschäftigen sich ausschließlich mit Thierzucht und ertrugen willig das harte Joch der Mongolen.
Carpini brauchte die ganze Zeit zwischen dem Sonntag nach Ostern und dem Himmelsfahrtstage zur Reise durch das Gebiet der Kangiten und gelangte dann in das Reich der Biserminen, d. h. der Moslemin, das dem heutigen Turkestan entspricht. Ueberall lagen hier Städte, Dörfer und Schlösser in Trümmern. Nach einer vom Himmelfahrtstage bis acht Tage nach Johannis, d. i. also bis zum 1. Juli, währenden Reise durch eine gebirgige Gegend betraten die Gesandten des Papstes Kara-Kitay. Der Gouverneur dieser Provinz empfing sie sehr freundlich und ließ ihnen zu Ehren seine beiden Söhne nebst den vornehmsten Personen seines Hofes vor den Gästen Tänze aufführen.
Von Kara-Kitay aus ritten die Reisenden mehrere Tage lang längs eines, nördlich von der Stadt Yeman gelegenen Sees hin, der nach de Remusat der See Kesil-Basch sein müßte. Hier wohnte Ordu, der älteste Anführer der Tataren.
Carpini und Etienne ruhten bei demselben, der sie mit großer Gastfreundschaft empfing, einige Tage aus. Dann reisten sie weiter durch das gebirgige und kalte Land der Naimanen, eines unter Zelten
Weitere Kostenlose Bücher