Die Entdeckung der Erde
ausgerüstete Caravellen. – Abreise am 3. August 1492.
Das Jahr 1492 nimmt in den Annalen der Geographie eine sehr hervorragende Stelle ein, da es sich durch eines der merkwürdigsten Ereignisse, durch die Entdeckung Amerikas, auszeichnet. Der Genius eines einzelnen Mannes bereicherte und vervollständigte sozusagen unsere Erdkugel, indem er Gagliuffi’s Vers.
Unus erat mundus; duo sint, ait iste: fuere!
(Eine Welt nur gab es; zwei gäb’ es, sagt er, und es war so!)
bestätigte.
Die Alte Welt kam mit diesem Ereigniß in die Lage, ihre moralische und politische Bildung gleichsam von Neuem anzufangen. War sie bei ihrem beschränkten Ideenkreise, ihren halb barbarischen Bestrebungen, ihrem religiösen Hasse einer solchen Aufgabe gewachsen? Die Thatsachen selbst werden diese Fragen beantworten.
Zunächst sei hier kurz berichtet über die bemerkenswertheren Vorkommnisse seit dem Jahre 1405, in dem Johann von Bethencourt seine Kolonisation der Canarischen Inseln beendigte, und dem eine neue Epoche beginnenden Jahre 1492.
Der ganzen Pyrennäen-Halbinsel bemächtigte sich jener Zeit eine von den eben aus Europa vertriebenen Arabern ausgehende, lebhafte wissenschaftliche Bewegung. In allen Häfen, vorzüglich in denen Portugals, sprach man nur noch von Afrika und den so reichen und wunderbaren Ländern jenseits des Meeres. »Unzählige Berichte, sagt Michelet, reizten die Neugierde, den Muth und den gemeinen Geiz; Jeder wollte die geheimnißvollen Länder sehen, wo die Natur zwar die schrecklichsten Ungeheuer erzeugte, dafür aber auch das Gold über den Erdboden verstreut hatte.« Ein junger Prinz, der Infant Dom Heinrich, Herzog von Veuse und dritter Sohn Johann’s I., der sich dem Studium der Astronomie und Geographie ergeben hatte, übte auf seine Zeitgenossen einen beträchtlichen Einfluß aus; ihm vor Allem verdankt Portugal die Entwicklung seiner Kolonialmacht und die Ausführung wiederholter Expeditionen, deren großartige, in enthusiastischen Berichten dargelegte Erfolge auch Christoph Columbus’ Phantasie so nachhaltig anregten. An der Südspitze der Provinz von Algarbien, in Sagres, wo seine Blicke unbehindert über den grenzenlosen Ocean schweiften und darin ein unbekanntes Land zu suchen schienen, ließ Dom Heinrich ein Observatorium errichten, begründete eine Schifffahrtsschule, wo er von kundiger Hand richtigere Karten entwerfen ließ, zog Gelehrte heran, welche in allen einschlagenden Fächern Unterricht ertheilten, und sammelte schätzbare Nachrichten über die Möglichkeit, durch eine Umschiffung Afrikas nach Indien zu gelangen. Ohne je selbst an einer Seefahrt betheiligt gewesen zu sein, brachten doch die von ihm ausgehende Ermuthigung und seine Protection der Seeleute, Dom Heinrich den Beinamen, »
Navigator
« (der Seefahrer) ein, unter welchem er in der Geschichte bekannt ist.
Cap Non, jene verhängnißvolle Grenzmarke für die Schiffer des Alterthums, war im Jahre 1418 von zwei Edelleuten am Hofe des Königs Heinrich, Juan Gonzales Zarco und Tristam Vaz Teixeira mit Namen, überschritten worden, indem diese auf’s hohe Meer hinaus und nach einer Insel verschlagen wurden, der sie den Namen Puerto Santo beilegten. Bald darauf segelten sie auf einen am fernen Horizonte eben sichtbaren dunklen Punkt zu und gelangten nach einer großen, mit prächtigen Wäldern bedeckten Insel. Das war Madeira.
Im Jahre 1433 wurde auch Bojodar, so lange Zeit das Endziel der Entdeckungsreisenden, von den Portugiesen Gillianes und Gonzales Baldaya umschifft, welche Beide noch vierzig Meilen darüber hinausfuhren.
Durch dieses Beispiel ermuthigt, drangen Antonio Gonzales und Nuño Tristam im Jahre 1441 bis zum Cap Blanc, auf dem 21. Breitengrade, vor, »eine Heldenthat, sagt Faria y Souza, welche dem allgemeinen Urtheile nach in keiner Weise gegen die berühmtesten Arbeiten des Herkules zurücksteht«, und jene brachten nach Lissabon auch eine Quantität Goldpulver vom Rio del Ouro mit. Während einer zweiten Reise entdeckte Tristam einige Inseln des Grünen Vorgebirges und gelangte selbst bis Sierra Leone. Bei dieser Expedition erkaufte er an der Guinea-Küste von maurischen Händlern zehn Neger, die er nach Lissabon mitnahm und dort mit hohem Gewinn veräußerte, da diese die öffentliche Neugierde ganz außerordentlich erregten. Das war der Anfang des Handels mit Schwarzen, der Afrika vier Jahrhunderte hindurch so viele Millionen rauben und zum untilgbaren Schandfleck der Menschheit werden sollte.
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