Die Entdeckung der Erde
Ferro und Palma kehrte Johann von Bethencourt mit seinen drei Schiffen nach Fortaventura zurück. Diese siebzehn lange und acht Meilen breite Insel besteht abwechselnd aus Ebenen und Bergen, doch ist ihr Boden weniger zerrissen und zerklüftet als der der anderen Inseln der Gruppe. Reiche Ströme von süßem Wasser winden sich hier durch die herrlichsten Wälder; Euphorbien mit milchigem, aber scharfem Safte liefern ein heftiges Gift. Daneben wuchern in üppiger Fülle Dattel-, Oel-und Mastixbäume, sowie eine gewisse Farbepflanze, deren Cultur außerordentlich lohnend sein mußte. Leider bietet die Küste von Fortaventura nirgends einen geeigneten Hafen für große Schiffe, kleinere Fahrzeuge finden daselbst aber stets eine sichere Zuflucht.
Auf eben dieser Insel schritt Baron von Bethencourt zum ersten Male zur Austheilung von Land für seine Kolonisten und ging dabei mit solcher Gerechtigkeit zu Werke, daß Jedermann mit dem empfangenen Lose zufrieden war.
Johann von Bethencourt machte also sein Testament. (S. 141.)
Seine eigenen Gefährten, d. h. Diejenigen, die er selbst mit hierher gebracht hatte, sollten außerdem neun Jahre lang von allen Steuern und Abgaben befreit bleiben.
Die Frage der Religion und der religiösen Verwaltung konnte einem so gottesfürchtigen Manne, wie dem Baron von Bethencourt, nicht gleichgiltig sein. Er beschloß also, sich nach Rom zu begeben und sich für das Land einen Bischof zu erbitten, der hier als Hüter des katholischen Glaubens schalten und walten sollte. Vor der Abreise aber ernannte er seinen Neffen, Maciot von Bethencourt, zum Stellvertreter und Gouverneur aller Inseln des Archipels. Unter seiner Leitung sollten zwei »Sergeanten« functioniren, denen speciell die Rechtspflege zufiel. Er ordnete ferner an, daß ihm zweimal jährlich ausführliche und umfassende Berichte nach der Normandie gesendet würden und daß die Einkünfte von Lancerote und Fortaventura zunächst zur Erbauung zweier Kirchen Verwendung finden sollten.
Seinem Neffen Maciot sagte er: »Im Uebrigen lasse ich Euch die volle Gewalt und Selbstbestimmung in Allem, was Ihr zu thun für gerathen findet und wobei Ihr selbstverständlich meine Ehre und unseren Vortheil stets im Auge behaltet. So weit das möglich ist, folgt Ihr den Sitten Frankreichs und der Normandie, z.B. in der Rechtspflege und wo das überhaupt thunlich erscheint. Auch bitte ich Euch und hinterlasse es als den Auftrag, der mir am meisten am Herzen liegt, haltet Frieden, seid einig untereinander und liebt Euch wie Brüder, vorzüglich dürft Ihr, die Edelleute des Landes, niemals gegenseitig neidisch und mißgünstig sein. Es ist Jedem sein Theil geworden. Das Land ist groß genug für Alle; fügt Euch ineinander und erinnert Euch der Zusammengehörigkeit Aller. Etwas Besseres weiß ich zum Abschied nicht zu sagen, als die Worte: Bewahret Euch den inneren Frieden und Alles wird sich zum Besten wenden!«
Drei Monate lang verweilte Baron von Bethencourt dann auf Fortaventura und auf den anderen Inseln. Er ritt auf seinem Maulthiere überall umher und unterhielt sich mit den Bewohnern des Landes, welche schon anfingen, sich der normannischen Sprache zu bedienen. Maciot und die übrigen Edelleute begleiteten ihn. Er wies auf Alles hin, was mit Vortheil auszuführen sei, und gab auch die nöthigen Mittel und Wege an. Nachdem er so den ganzen von ihm eroberten Archipel durchstreift, ließ er durch Ausrufer bekannt machen, daß er am 15. December des laufenden Jahres nach Rom abreisen werde.
Nach Lancerote zurückgekehrt, blieb Baron von Bethencourt daselbst bis zur Abfahrt. Er befahl dann noch allen Edelleuten, die er einst selbst hierher gebracht, seinen Handwerkern und den drei canarischen Königen, sich zwei Tage vor seiner Abreise hier einzufinden, um ihnen seinen letzten Willen mitzutheilen und sie dem Schutze des Höchsten zu empfehlen.
Kein Einziger fehlte an dem bestimmten Tage. Baron von Bethencourt empfing Alle in der Festung von Lancerote, wo er sie Alle reichlich bewirthete. Nach beendigtem Mahle betrat er einen etwas erhöhten Stuhl, wiederholte seine früheren Ermahnungen, wies Alle darauf hin, daß sie von nun an nur seinem Neffen Maciot zu gehorchen hätten, erinnerte sie an den ihnen zukommenden fünften Theil der Erträgnisse und legte ihnen an’s Herz, den Satzungen des Christenthums treu zu bleiben und vor Allem Gott zu lieben. Dann wählte er noch Diejenigen aus, welche ihn nach Rom begleiten sollten, und
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