Die Entdeckung der Erde
der Portugiesen im 15. Jahrhundert, sagt Cooley, war einzig der, einen Wasserweg nach Indien aufzufinden.« Die Gelehrtesten des Zeitalters erhoben sich noch nicht zu der schon aus Gründen des Gleichgewichtes und der Vertheilung der Massen auf unserem Erdballe nothwendigen Annahme eines neuen Continents. Ja noch mehr. Einzelne Theile des amerikanischen Festlandes hatte man wirklich schon entdeckt. Ein italienischer Seefahrer, Sebastian Cabot, soll 1487 an irgend einem Punkte von Labrador gelandet sein. Skandinavische Normannen waren unzweifelhaft nach diesen unbekannten Gestaden gekommen. Kolonisten von Grönland hatten, »Vinland« besucht. Die herrschende Richtung der Geister war aber einmal eine so unerschütterte, die Unwahrscheinlichkeit der Existenz einer Neuen Welt eine so große, daß dieses Grönland, Vinland und Labrador nur als Ausläufer des europäischen Festlandes betrachtet wurden.
Alle Seefahrer des 15. Jahrhunderts hatten nichts Anderes im Auge als die Auffindung eines bequemeren Weges nach den reichen Gestaden Asiens. Gewiß war die Straße nach Indien, China und Japan – Gebiete, welche man durch die merkwürdigen Berichte Marco Polo’s schon so ziemlich genau kannte – jene Straße, die sich durch Kleinasien, Persien und die Tatarei hinzieht, sowohl sehr lang als auch mit mancherlei Gefahren verknüpft. Uebrigens entsprechen »Landwege« niemals den Bedürfnissen des Welthandels; der Transport gestaltet sich hier zu schwierig und wird deshalb zu theuer. Man bedurfte dringend einer praktischeren Communication. Darf es uns nun wundernehmen, daß alle europäischen Küstenvölker von England bis Spanien, daß die Bewohner der Ufer des Mittelländischen Meeres, wenn sie die weiten Wege des Atlantischen Oceans für ihre Schiffe offen liegen sahen, sich auch die Frage vorlegten, ob diese nicht auch nach den Küsten Asiens führen möchten?
Da die Kugelgestalt der Erde nachgewiesen war, entbehrte diese Vorstellung nicht der Begründung. Drang man also weiter und weiter nach Westen vor, so mußte man zuletzt wieder im Osten ankommen. Der Weg über den Ocean mußte allen Voraussetzungen nach offen sein. Wer hätte auch damals das gegen 3200 Meilen lange zwischen Europa und Asien gelagerte Hinderniß, welches Amerika heißt, nur ahnen können?
Hierzu kommt noch, daß die Gelehrten des Mittelalters die Entfernung der Küste Asiens von Europa auf höchstens 2000 Meilen schätzten. Aristoteles hielt unsere Erdkugel für weit kleiner, als sie es in Wirklichkeit ist. »Wie lange Zeit braucht man, um von den letzten Ausläufern Spaniens bis nach Indien zu kommen?« fragte Seneca und antwortet selbst: »Nur wenige Tage, wenn das Schiff vom Winde begünstigt wird«. Auch Strabo hatte dieselbe Meinung. Den Weg zwischen Europa und Asien hielt auch er nur für ziemlich kurz. Uebrigens mußten solche Ruhepunkte, wie die Azoren und die Antilia-Inseln, (!) deren Vorhandensein man im 15. Jahrhundert voraussetzte, die Leichtigkeit der transoceanischen Communication sicherstellen.
Man wird zugeben können, daß dieser allgemein verbreitete Irrthum über die in Rede stehende Entfernung wenigstens das eine Gute hatte, die Seefahrer jener Zeit zu einem Versuche der Durchmessung des Oceans zu bewegen. Hätten sie die thatsächliche Entfernung zwischen Europa und Asien, welche 5000 Meilen beträgt, gekannt, so würde sich wahrscheinlich Niemand auf die Meere des Westens hinausgewagt haben.
Nun lagen außerdem einige Thatsachen vor, welche den, eine nicht allzu große Entfernung der Ostufer Asiens behauptenden Vertretern der Anschauung Aristoteles’ und Strabo’s Recht zu geben schienen. So fand ein Lootse des Königs von Portugal, der 450 Meilen vom Cap Vincent, an der äußersten Spitze der Algarven, auf hohem Meere herumsegelte, ein Stück mit alten Schnitzereien verziertes Holz, das nur von einem nicht allzu entfernten Continent herrühren konnte. In der Nähe von Madeira hatten Schiffer auch einen verzierten Balken und Bambusstengel aufgefischt, welche den von Indien her bekannten glichen. Dazu bargen die Bewohner der Azoren von ihrem Strande wiederholt ungeheure Fichten von unbekannter Art, und eines Tages sogar zwei menschliche Körper, »Leichen mit sehr breitem Gesicht, sagt der Chronist Herrera, welche Christenmenschen nicht ähnlich sahen«.
Diese verschiedenen Vorkommnisse erregten die Phantasie der Zeitgenossen. Da man im 15. Jahrhundert noch nichts vom Golfstrome wußte, der durch seine Annäherung an
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