Die Entdeckung der Erde
versandeten Furthen immer mehr; die Schiffe hatten Noth, sich noch hindurchzuwinden. Dennoch beharrte der Admiral darauf, sich von der Küste, die er auskundschaften wollte nicht zu entfernen. Eines Tages glaubte er auf einer entfernten Landspitze weißgekleidete Männer zu erkennen, die er für Brüder aus dem Orden Sainte-Marie de la Mercede hielt, und sandte deshalb mehrere Matrosen ab, sich mit jenen in’s Einvernehmen zu setzen. Alles stellte sich jedoch als optische Täuschung heraus; die vermeintlichen Mönche waren nichts Anderes als große Reiher der Tropenlande, welchen die weite Entfernung ein menschenähnliches Aussehen verlieh.
Während der ersten Tage des Juni mußte Columbus vor Anker liegen bleiben, um seine Schiffe auszubessern, deren Rumpf durch die Untiefen mancherlei Beschädigungen erlitten hatte. Am 7. desselben Monats ließ der Admiral am Strande eine feierliche Messe lesen. Während des Gottesdienstes traf ein bejahrter Cazike ein, der dem Admiral nach Beendigung der Ceremonie verschiedene Früchte anbot. Dann sprach der. Cazike einige Worte, welche die Dolmetscher folgendermaßen übersetzten:
»Es ist uns davon Kunde geworden, daß Du Länder, die Euch bisher unbekannt waren, überfallen und in Deine Gewalt gebracht hast und daß Dein Erscheinen die Völker und einzelnen Bewohner so sehr in Schrecken setzte. Ich glaube also, Dich ermahnen und daran erinnern zu sollen, daß es für die Seelen, wenn sie sich von den Körpern trennen, zwei verschiedene Wege giebt: den einen voll Finsterniß und Trübsal für die Seelen Derjenigen, welche dem Menschengeschlechte einst schädlich und lästig waren; den anderen, voller Lust und Freude für Diejenigen, welche im Leben den Frieden und die Ruhe ihrer Nebenmenschen achteten und liebten. Denkst Du aber daran, daß Du selbst auch sterblich bist und daß der zukünftige Lohn abgemessen wird nach Deinen Thaten in diesem Leben, so wirst Du Niemand mehr zunahe treten.«
Welcher Philosoph der alten oder neuen Zeit hätte jemals besser und mit einfacherer Klarheit sprechen können! Alles Menschliche des Christenthums ist in diesen herrlichen Worten zusammengedrängt, die aus dem Munde eines – Wilden kamen! Columbus und der Cazike trennten sich entzückt von einander und der Erstaunteste von Beiden war der alte Eingeborne wahrscheinlich nicht gewesen.
Der ganze Volksstamm schien sich übrigens der Beachtung der von seinem Chef angedeuteten Lebensvorschriften zu befleißigen. Das Land z.B. gehörte allen Bewohnern gemeinschaftlich, wie die Sonne, die Luft und das Wasser.
Strandfischer von Cuba. (S. 190.)
Das Mein und Dein, die Ursachen so vieler Streitigkeiten, war hier unbekannt und Alle lebten mit Wenigem zufrieden. »Sie leben im goldenen Zeitalter, sagt der Bericht, und schließen ihre Besitzungen weder durch Gräben oder Hecken ab; sie lassen ihre Gärten offen stehen, ohne Gesetze, Bücher oder Richter zu kennen; ihre Natur sagt ihnen allein, was gut und recht ist, und sie haben für Den, der einem Anderen Unrecht thut, nur die Strafe der allgemeinen Verachtung.«
Perlenfischer. (S. 192.)
Christoph Columbus kehrte, als er Cuba verließ, nach Jamaica zurück, dessen Küste er bis zum östlichen Ende folgte. Seine Absicht ging dahin, die Inseln der Caraïben anzugreifen und diese abscheuliche Brut auszurotten. In Folge seiner vielen Nachtwachen und Strapazen aber fiel der Admiral in eine Krankheit, die ihn zum Aufgeben seiner Pläne nöthigte. Er mußte nach Isabella zurückkehren, wo er unter dem Einflusse der guten Luft und der nöthigen Ruhe, Dank der sorgfältigen Pflege seines Bruders und anderer Angehöriger, seine Gesundheit wiederfand.
Uebrigens bedurfte auch die Kolonie dringend seiner Anwesenheit. Der Gouverneur des Fort St. Thomas hatte die Eingebornen durch seine rücksichtslosen Maßnahmen erbittert. Don Diego, Columbus’ Bruder, ließ ihm wiederholte, leider fruchtlose Mahnungen zugehen. Derselbe Gouverneur war dann, während Columbus’ Abwesenheit, nach Isabella zurückgekehrt und hatte sich auf einem der Fahrzeuge, die eben Don Barthelemy, den zweiten Bruder des Admirals, nach Espagnola gebracht hatten, nach Spanien eingeschifft.
Nach wieder erlangter Gesundheit konnte Columbus doch das Ansehen Derjenigen, die er einmal zu seinen Stellvertretern ernannt hatte, nicht ungeahndet mißachten lassen und beschloß also, den gegen den Befehlshaber von St. Thomas aufgestandenen Caziken zu bestrafen. Vor Allem sandte
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