Die Entdeckung der Erde
seinen Kindern zu entfliehen und sich mit vielen seiner Leute in die Gebirge zu retten. Später – im Laufe des Aprils – griff ein zahlreiches Indianerheer die Spanier noch einmal an, wurde von diesen aber zum größten Theile aufgerieben.
Inzwischen wurde Columbus’ Gesundheitszustand immer schwankender. Zur Weiterfahrt fehlte ihm der günstige Wind. Er war der Verzweiflung nahe. Eines Tages fiel er vor Erschöpfung in Schlummer. Im Traume vernahm er, wie eine freundliche Stimme ihm folgende Worte zuflüsterte, die wir hier ohne Veränderung wiedergeben, denn sie sind charakteristisch wegen ihrer schwärmerischen Religiosität, welche das Bild des alten Seefahrers weiter vervollständigt. Jene Worte lauteten:
»O, Du Thor! Was zögerst Du so sehr, an Deinen Gott zu glauben und ihm, dem Beherrscher des Weltalls, zu dienen? Was hat er für Moses und David, seinen Diener, mehr als für Dich gethan? Erwies er Dir nicht von Geburt an die zärtlichste Fürsorge, und hat er nicht, als Du in das Alter kamst, seine Absichten durchzuführen, Deinem Namen Ruhm verliehen in allen Landen? Gab er Dir nicht Indien, diesen reichsten Theil dieser Welt? Hat er es Dir nicht anheim gegeben, dasselbe zu verschenken, an wen Du wolltest? Wer anders als Er lieh Dir die Mittel, seine Pläne auszuführen? Noch war der Eingang zum Ocean verschlossen und Keiner vermochte dessen Riegel zu brechen. Dir hat er die Schlüssel dazu gegeben. Deine Macht erkannten die fernen Lande und Dein Ruhm glänzte durch die ganze Christenheit. Erwies Gott seinem Volke Israel etwa mehr Gnade, als er es aus Egypten führte? Oder goß er seine Gunst reichlicher aus über David, als er ihn vom Hirten zum König über Juda erhob? Wende Dein Antlitz zu ihm und erkenne Deinen Irrthum, denn sein Erbarmen ist ohne Grenzen. Dein Alter soll kein Hinderniß sein für die große Zukunft, die Deiner noch harrt, er hält das Schicksal ja in seiner Hand. War Abraham nicht hundert Jahre alt und auch Sarah schon über die erste Jugend hinaus, da Isaak geboren wurde? Du rufst nach einer unsicheren Hilfe. Antworte mir: Wer hat Dich so vielen und großen Gefahren ausgesetzt? War es Gott oder die Welt? Was Gott einmal versprochen, das weigert er seinen Dienern niemals. Er schützt, wenn Jemand ihm einen Dienst geleistet, nicht eine Ausrede vor, daß dieser nicht ganz nach seinem Willen gehandelt habe, und er giebt seinen Worten niemals später eine andere Auslegung; er bemüht sich nimmermehr, einem Acte der Willkür ein schönes Gewand umzuhängen. An seinen Reden ist nicht zu deuteln; Alles, was er verspricht, hält er gewißlich. So handelte er von Ewigkeiten her. Ich habe Dir Alles gesagt, was der Schöpfer für Dich gethan hat; jetzt zeigt er Dir den Preis und die Belohnung für alle Mühen und Gefahren, denen Du Dich im Dienste Anderer unterzogst.« Und ich (setzt Columbus hinzu), obwohl von Leiden gemartert, hörte zwar die ganze Rede, doch ich konnte die Kraft nicht finden, auf diese so sicheren Versprechungen zu antworten; ich begnügte mich, meine Irrthümer zu beweinen. Jene Stimme sprach zuletzt noch die Worte: »Hoffe, fasse Vertrauen; Deine Arbeiten wird die gerechte Nachwelt in Marmor schreiben!«
Sobald er einigermaßen wiederhergestellt war, dachte Columbus daran, diese Insel zu verlassen. Er hätte hier zwar gern eine dauernde Niederlassung gegründet, doch war seine Mannschaft nicht zahlreich genug, um einen Theil derselben ohne Gefahr am Lande zurücklassen zu können. Die vier Caravellen waren von Würmern zerfressen. Eine derselben mußte in Bethlehem zurückgelassen werden, als er zu Ostern unter Segel ging. Kaum dreißig Meilen im Meere, sprang noch eines von den Fahrzeugen leck. Der Admiral mußte eiligst nach der Küste zurückkehren und gelangte glücklich nach Porto-Bello, wo er jenes Schiff, dessen Havarien sich als unverbesserlich erwiesen, einfach stehen ließ. Die Flottille bestand jetzt nur noch aus zwei Caravellen ohne Boote, fast ohne Proviant, und dazu hatte sie einen Weg von über 700 Meilen vor sich. Sie segelte längs der Küste hinauf, am Hafen El Retrete vorüber, entdeckte die Gruppe der Mulatas und drang in den Golf von Darien ein. Das war der östlichste von Columbus erreichte Punkt.
Am 1. Mai begab sich der Admiral auf den Weg zur Insel Espagnola; am 10. war er in Sicht der Caïmans-Inseln, vermochte aber nicht gegen den heftigen Wind aufzukommen, der ihn nach Nordwesten, bis in die Nähe von Cuba verschlug. Hier verlor er bei
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