Die Entdeckung der Erde
Würmern zernagten Schiffe befanden sich im elendsten Zustande; noch einmal mußte man ihre Havarien ausbessern und den Aufenthalt in El Retrete länger als beabsichtigt ausdehnen. Columbus verließ aber diesen Hafen nur, um einen noch schrecklicheren Sturm als alle vorhergehenden zu erleben. »Neun Tage hindurch, schreibt er, verzweifelte ich an jeder Möglichkeit einer Rettung. Noch nie sah Jemand ein wilderes, entsetzlicheres Meer; es war durchweg mit Schaum bedeckt; der Sturm erlaubte weder weiter zu segeln noch irgendwo an’s Land zu gehen; er hielt mich auf offener See fest, wo das Wasser fast blutigroth aussah und zu sieden schien, als würde es durch Feuer erhitzt. Noch niemals bot mir der ganze Himmel einen grauenvolleren Anblick. Tag und Nacht im Feuer, schleuderte er ohne Unterlaß seine Blitze herab, und jeden Augenblick fürchtete ich, unsere Masten und Segel verloren gehen zu sehen. Der Donner rollte mit so furchtbarem Krachen, als sollte er unsere Schiffe zersprengen, und während der ganzen Zeit strömte ein so überaus heftiger Regen hernieder, daß man ihn eigentlich gar nicht mehr Regen, sondern nur eine zweite Sintfluth nennen konnte. Erschöpft von so vielen Beschwerden und Qualen, sehnten sich meine Matrosen fast nach dem Tode, dem Ende dieser Leiden. Die Schiffe waren an allen Seiten leck und die Boote, Anker, Seile und Segel alle rettungslos verloren.«
Während dieser langen und mühevollen Fahrt hatte der Admiral nahezu dreihundert Meilen zurückgelegt. Seine Mannschaft war am Ende ihrer Kräfte. Er mußte also daran denken, umzukehren und das Gestade von Veragua wieder zu erreichen suchen; da er für seine Schiffe aber augenblicklich keinen sicheren Zufluchtsort fand, so segelte er nur ein Stück weiter nach dem Ausflusse des Bethlehem-Stromes, dem heutigen Yebra, in welchem er am Tage Epiphanias des Jahres 1503 vor Anker ging. Am andern Tage begann der Sturm von Neuem, und am 24. Januar rissen, in Folge plötzlichen Anschwellens, die Ankerkabel, so daß die Schiffe nur mit genauer Noth gerettet werden konnten.
Niemals setzte der Admiral inzwischen den Hauptzweck seiner Mission aus den Augen und unterhielt fortlaufende Verbindungen mit den Eingebornen. Der Cazike von Bethlehem zeigte sich ziemlich entgegenkommend und machte ihm von einem etwa fünf Meilen landeinwärts gelegenen goldreichen Districte Mittheilung. Christoph Columbus sandte in Folge dessen eine Abtheilung von sechzig Mann unter dem Befehle seines Bruders Barthelemy dahin ab. Der Weg führte über ein sehr hügeliges Land mit vielen und in solchen Windungen verlaufenden Flüssen, daß man einen derselben neununddreißigmal überschreiten mußte, ehe die Spanier das goldhaltige Gebiet erreichten, das sich als sehr groß erwies und bis über Gesichtsweite hinaus erstreckte. Gold fand sich hier in solchem Ueberfluß, daß ein Mann in zehn Tagen ein ganzes Maß voll sammeln konnte. In vier Stunden schon hatte Barthelemy mit seinen Leuten für eine ganz enorme Summe von diesem Metalle zusammengebracht. Dann kehrten sie zum Admiral zurück. Als dieser jenes vielversprechende Resultat erfuhr, beschloß er, an der Küste eine Niederlassung zu gründen und ließ zunächst einige hölzerne Baracken errichten.
Die Erzlager dieser Gegend bargen wirklich einen Reichthum ohne Gleichen; sie schienen unerschöpflich zu sein und um ihretwillen vergaß Columbus Cuba und St. Domingo. Ein Brief an König Ferdinand giebt seinem Enthusiasmus darüber in einer Weise Ausdruck, daß man unwillkürlich erstaunt, aus der Feder dieses großen Mannes folgende, weder eines Philosophen noch eines Christen würdige Sätze fließen zu sehen: »Gold! Gold! Ein prächtig Ding! Das Gold ist die Mutter der Reichthümer! Das Gold regiert die ganze Welt und seine Macht reicht oft allein hin, den Seelen das ihnen sonst verschlossene Paradies zu öffnen!«
Die Spanier arbeiteten also emsig, ihre Schiffe mit Gold zu befrachten. Bis dahin gestaltete sich ihr Verhältniß zu den Eingebornen recht friedlich, obgleich Letztere etwas wilder Natur zu sein schienen. Bald aber beschloß der Cazike, unwillig über die factische Besitznahme seines Landes, die Fremdlinge niederzumachen und ihre Wohnstätten in Brand zu stecken. Eines Tages überfiel er die Spanier also mit ganz beträchtlichen Streitkräften. Es kam zu einem ernsthaften Treffen. Die Indianer wurden zurückgeworfen; der Cazike selbst war mit seiner ganzen Familie gefangen worden, doch gelang es ihm, sammt
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