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Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Titel: Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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aufgegeben wurden. Dies war zu den Zeiten üblich, in denen eine nicht permanente Landnutzung außerhalb eines Staates praktiziert wurde. Damals konnte sich im Rahmen von Sekundärsukzessionen immer wieder erneut Wald auf aufgelassenen Siedlungsflächen etablieren: Jahrtausendelang breiteten sich Buchen aus, dagegen wurden Eichen, Linden und Ulmen seltener, wohl unter anderem deswegen, weil sie unter den Schatten spendenden Buchen, Fichten und Tannen im Wachstum benachteiligt waren.
    Abb. 16-1 Pollendiagramm aus dem westlichen Oberbayern, in vier Phasen der Landnutzung gegliedert (vgl. Abb. 3-3, S. 56f.).
    Von Schicht 13 an, die vor etwa 2000 Jahren, also zur Zeit der römischen Besiedlung des Gebietes nördlich der Alpen, im Moor abgelagert wurde, ist mehr Pollen von Getreide und Unkraut nachweisbar. Die Besiedlung wurde also intensiver und dauerte länger an; dies lässt sich darauf zurückführen, dass das Gebiet zu der Zeit, als die Torfschichten der Phase 3 abgelagert wurden, in eine feste staatliche Struktur integriert worden war. Die stärkere Nutzung der Wälder führte zum Rückgang der Bedeutung von Tannen und Buchen. Die Anteile beider Baumarten nahmen nochmals zu, als die Intensitäten von Besiedlung und Bewirtschaftung zwischen der Römerzeit und dem Mittelalter leicht nachließen. Eichen, Ulmen und Linden wurden in Wäldern häufiger, die in kurzen Abständen immer wieder genutzt wurden. Diese Bäume konnten im Unterschied zur Buche nach dem Schlagen wieder austreiben. In Phase 4 wirkte sich schließlich die Landreform aus, vor allem dadurch, dass die Bedeutung der Fichte und auch der Kiefer in aufgeforsteten Wäldern deutlich zunahm.
    Ähnlich wie in diesem vereinfacht präsentierten Pollendiagramm aus dem westlichen Oberbayern zeigt sich die Entwicklung der Vegetation in jedem Pollendiagramm aus Mitteleuropa: Buchen breiteten sich in der Phase aus, in der es zu Sekundärsukzessionen der Vegetation nach der Aufgabe von Siedlungen und Wirtschaftsflächen kam, und zwar etwa von 5000 v. Chr. bis zum Beginn des Mittelalters. Durch die spätere Intensivierung der Nutzung wurde die Buche stets benachteiligt. [155] In den jüngsten Torfablagerungen zeigen die Pollenablagerungen an, dass aufgeforstet wurde.
    Genauso wie bei der Betrachtung der einzelnen Landnutzungssysteme zeigt sich bei der Interpretation des Pollendiagramms, wie sehr die sich wandelnde Landnutzung in den letzten Jahrtausenden den Gang der Vegetations- und Landschaftsgeschichte bestimmte. Klar wird auch, welch große Bedeutung Pollendiagrammen als Schlüssel zur Geschichte von Landnutzung zukommt. In ihnen sind nicht in erster Linie die kleineren Klimaschwankungen der letzten zehn Jahrtausende dokumentiert, sondern vor allem die aufeinanderfolgenden Wandlungen der Landnutzung.
Ein neues System von Landnutzung und Landschaft
    Seit etwa der Mitte des 20. Jahrhunderts zeichnet sich vielerorts auf der Erde die Herausbildung eines neuen Systems von Landnutzung und Landschaft ab. Die Bevölkerung und die Bedürfnisse der Menschheit nehmen weiter zu, vor allem Metropolen wachsen erheblich. Eine Tendenz zur Zentralisierung und Konzentration zeigt sich nicht nur an dem vorrangigen Wachstum großer Städte, sondern auch bei der Vergrößerung von Industriebetrieben, beim Bau großer Kraftwerke für die zentralisierte Energieversorgung und beim Aufbau von Güterverteilzentren. Überregionale Verkehrswege und Verkehrsanlagen (Flugplätze, Containerhäfen, Autobahnen, Schnellbahnen) werden ausgebaut. Die Umfänge von Individualverkehr und Warentransporten wachsen erheblich. Landnutzungsflächen werden durch Zusammenlegung kleinerer Felder immer größer, die Mechanisierung der Land- und Forstwirtschaft nimmt weiter zu. Bei der Landnutzung werden seit Jahrtausenden gültige Landnutzungsmuster aufgegeben, die in den vorigen Kapiteln dargestellt wurden: Mais wird nicht mehr allein im traditionellen trockenen Ackerlandbereich angebaut, sondern auch in Tallagen und Niederungen, wo zuvor stets Grünlandnutzung stattgefunden hatte. Außer Nahrungs- und Futterpflanzen werden Energierohstoffe kultiviert; Agrarland wird auch zur Aufstellung von Solarpaneelen genutzt.
    Nicht überall aber wird die Landnutzung intensiviert. In anderen Gegenden wird sie aufgegeben, in Verbindung damit verschwindet die ehemals fein vernetzte Infrastruktur, etwa durch Abbau von Eisenbahnlinien, Schließen von Verwaltungseinrichtungen, Schulen und Geschäften. Manche Gebiete werden

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