Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
sich entwickelnde Ökosysteme in doppelter Weise geprägt werden: erstens in ihrem Aussehen, zweitens durch im Boden gespeicherte Substanzen, die aus Überresten von Lebewesen hervorgegangen sind.
6 Dynamik von Ökosystemen
Abrupter und allmählicher Wandel
Es gibt zwei verschiedene Formen von Wandel in Ökosystemen: Abrupter Wandel kann zur Zerstörung eines kompletten Ökosystems führen, etwa bei einem Vulkanausbruch, einem Meteoriteneinschlag oder dann, wenn Landflächen im Meer versinken. Zu einem solchen Wandel, der Ökosysteme, Standorte und Landschaften betrifft, kommt es nur selten. Die Entstehung von Neuland an Meeresküsten oder die Aufeinanderfolge von Pflanzengemeinschaften an einem Standort sind dagegen langsam und allmählich ablaufende Prozesse des Wandels in Ökosystemen. Diese Form des Wandels ist viel weniger spektakulär, kann aber ebenfalls wie der abrupte Wandel erhebliche Auswirkungen haben; denn zu einem allmählichen Wandel in Ökosystemen oder Landschaften kommt es überall und zu jeder Zeit.
Phasen des raschen oder abrupten Wandels von Ökosystemen wechseln sich häufig mit langen Zeiträumen ab, in denen es zu allmählichen Veränderungen kommt. Nach einem Vulkanausbruch, der alles Leben in seiner Umgebung zerstört, breiten sich dort erneut Lebewesen aus. Möglicherweise etabliert sich schließlich wieder die durch die Katastrophe zerstörte Lebensgemeinschaft, aber auch ganz andere Arten von Lebewesen könnten sich im Verlauf der Neubesiedlung des Standortes durchsetzen. Dies muss nicht zwingend mit Veränderungen der Standortbedingungen, etwa durch einen Aschenregen, zusammenhängen, sondern kann einfach nur dadurch ausgelöst sein, dass erneut eine Sukzession von einem Pionierstadium zu einem zonalen Ökosystem abläuft, in dem zufällig andere Organismen häufig werden.
Zyklische Entwicklungen im Wald
Ein wesentlich weniger spektakulärer Wechsel von Phasen des plötzlichen und allmählichen Wandels lässt sich in jedem Wald beobachten. Er hängt mit dem Wachstum und Absterben von Pflanzen zusammen. Ein Baum wächst einige Jahrzehnte oder Jahrhunderte lang in die Höhe. Während dieser Zeit bezieht er beträchtliche Mengen an Mineralstoffen aus dem Boden und beschattet den Waldboden in immer stärkerem Maße. Unter dem Baum breiten sich Moose aus. Sie können nur dann existieren, wenn sie nicht dauernd von der Sonne beschienen werden, so dass zumindest zeitweise zwischen ihren Blättchen Wasser festgehalten wird. Denn nur dann können sich Moose fortpflanzen: Ihre Sporen gelangen ausschließlich im Wasser von den männlichen zu den weiblichen Organen. Moose sind wegen ihrer Eigenschaft, Wasser festzuhalten, ein sehr effizienter Wasserspeicher; in schattigen Wäldern wird eine Menge Wasser zurückgehalten, bevor es an Fließgewässer abgegeben wird.
Der Baum stirbt schließlich ab und bricht zusammen. Dabei reißt er neben ihm stehende jüngere und kleinere Gehölzpflanzen mit sich. Nach diesem plötzlichen Wandel bleibt eine kleine Lichtung zurück, auf der Waldmoose nicht mehr existieren können; denn zu viel Sonnenlicht dringt an den Waldboden, der deshalb für immer längere Zeit abtrocknet. Zu selten wird zwischen den Moosblättchen Wasser festgehalten; eine Fortpflanzung der Moose ist nicht mehr möglich. Pilze und Mikroorganismen zersetzen das Holz und geben Kohlenstoffdioxid an die Atmosphäre ab. Beim Holzabbau freigesetzte Mineralstoffe werden dem Boden zugeführt.
Auf der kleinen Lichtung breiten sich Pflanzen aus, die zu ihrer Entwicklung volles Sonnenlicht benötigen. Solche Pflanzen nennt man Schlagpflanzen, weil man sie auch nach der Abholzung einer Waldparzelle sofort finden kann; für solche Standorte sind sie besonders typisch. Zu ihnen gehören Springkraut undFingerhut. Sie breiten sich deswegen rasch aus, weil ihre Samen viele Jahrzehnte lang im Boden überdauern und erst dann keimen, wenn der Baum über ihnen zusammengestürzt ist und genug Sonnenlicht für das Wachstum der Pflanzen zur Verfügung steht. Tiere finden sich auf der Lichtung ein, die das dort nun reichlichere Nahrungsangebot nutzen: Es gibt dort junge Pflanzen, von denen sie sich ernähren können. Die Tiere bringen Samen weiterer Gewächse mit, die sich auf der Lichtung ausbreiten. Das spezielle Ökosystem der Lichtung bleibt nicht konstant bestehen, sondern es kommt zum Ablauf einer Sekundärsukzession. So nennt man eine Ökosystementwicklung vom Offenland zum Wald, wenn der Boden bereits
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