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Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Titel: Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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zusammen.
    Das von den Gletschern freigegebene Land und auch das Land im Gletschervorfeld, das Gelände der ehemaligen Urstromtäler, die Dünen an deren Rand, die Gebiete, in denen Löß abgelagert worden war, sowie auch viele Bergländer und Talregionen hatten durch Sedimentumlagerung in der Eiszeit eine neue Oberfläche erhalten. Vielerorts waren die Ablagerungen reich an vielfältigen Mineralstoffen. Im Prinzip waren die neu entstandenen Standorte fruchtbar, und sie unterschieden sich dadurch von allen Standorten, die von den kaltzeitlichen Eismassen weiter entfernt waren. Doch ihre Fruchtbarkeit trat erst zutage, nachdem sich aus rohem Erdmaterial Böden entwickelt hatten. Auf ihnen breitete sich eine Vegetationsdecke aus, und es fanden sich Tiere ein, die sich von den Pflanzen ernährten. Dies waren Initialen von Primärsukzessionen,bei denen sich zugleich die Böden, die Vegetation und die Tierwelt entwickelten, also gesamte Ökosysteme von Initialstadien ausgingen.
    Am Beginn einer Warmzeit wurden zunächst diejenigen Pflanzen häufiger, die auch in der Kaltzeit in Gletschernähe überdauert hatten. Aus einer lückigen wurde eine üppige Vegetationsdecke, die hauptsächlich aus diversen krautigen Pflanzen und Zwergsträuchern bestand: Beifuß und Gänsefuß, Silberwurz, Sonnenröschen, Wiesenraute, zahlreiche Gräser, Wacholder, Zwergbirke. Diese waldoffene Vegetation bestand am Ende der Eiszeit auf Standorten, die man später als zonal, aber auch extrazonal oder azonal bezeichnen konnte. Zahlreiche Pflanzen fressende Tiere, vor allem Rentiere, fanden ein reichliches Nahrungsangebot vor. Rentiere zerstören aber mit ihren Hufen die Vegetationsdecke. Die Tiere müssen nach einiger Zeit zu anderen Weidegründen ziehen und können erst dann zu ehemaligen Weideplätzen zurückkehren, wenn sich dort die Vegetation regeneriert hat. Aber auch aus klimatischen Gründen wandern diese Tiere im Jahreslauf weite Strecken, im Sommer nach Norden, im Winter nach Süden.
    In den Hufabdrücken von Rentieren setzten sich möglicherweise auch vom Wind herbeigewehte Samen von Pflanzen fest, die zuvor noch nicht an Ort und Stelle vorgekommen waren, beispielsweise von Kiefern und Birken. Diese Pflanzen konnten nun, wenn die klimatischen Voraussetzungen gegeben waren, ebenfalls im ehemaligen Gletschervorfeld wachsen – und auch dort, wo ehemals Gletscher gelegen hatten.
Ausbreitung von Wäldern
    Die Baumarten, die heute in Mitteleuropa gedeihen, kamen während der Kaltzeiten nur an wenigen Stellen am Mittelmeer vor; auch in Amerika und Ostasien lagen die Wuchsgebiete von Baumarten der gemäßigten Klimazonen zu solchen Zeiten viel weiter im Süden als heute.
    Die sogenannten Eiszeitrefugien, an denen europäische Baumarten während der Kaltzeiten überdauerten, sind schwer zu lokalisieren. Auf jeden Fall kommen mitteleuropäische Baumarten dort heute, wenn überhaupt, nur an extra- oder azonalen Standorten vor. In anderen Gegenden Europas konnten diese Pflanzen in den Warmphasen des Quartärs dagegen zu wichtigen Komponenten der klimazonalen Vegetation werden, wenn auch nur auf Zeit. Diese Zeit war einerseits aus klimatischen Gründen begrenzt; sank die Temperatur erneut, gingen die Pflanzen, die sich Jahrtausende zuvor nach Norden ausgebreitet hatten, wieder ein. Andererseits kann eine Pflanzenart nur so lange zur zonalen Vegetation gehören, bis sie von einer noch besser an den klimazonalen Standort angepassten Pflanzenart verdrängt wird, auch weil die Primärsukzession von Boden und Vegetation weiter fortschreitet. Die Eigenschaft einer Pflanzenart, zur zonalen Vegetation zu gehören, bleibt also nicht dauerhaft bestehen, und auch die zonale Vegetation ist nicht auf Dauer stets identisch.
    Die Geschwindigkeit der Ausbreitung von Baumarten nach Mittel- und Nordeuropa oder auch in die heutigen Verbreitungsgebiete sommergrüner Laubwälder in Nordamerika und Ostasien wurde einerseits davon bestimmt, wie gut deren Samen verbreitet wurden. Einige Pflanzenarten haben Früchte oder Samen, die in großen Mengen und auf große Distanzen vom Wind verweht werden. Andere Pflanzen, deren Früchte von Tieren transportiert werden, breiten sich mit geringerer Geschwindigkeit aus. Während sich in Amerika und Ostasien nach dem Abschmelzen des Eises stets so gut wie alle Pflanzenarten wieder nach Norden ausbreiten konnten, kam es in Europa zu einer Florenverarmung. Die Anzahl an Baumarten, die nach dem Ende einer Eiszeit wieder in Mitteleuropa

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