Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Titel: Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
Ausbreitung der Eichen dauerte daher länger als diejenige von Kiefern und Birken. Eichen, Linden, Ulmen, Eschen und Ahorn können unter Kiefern keimen; sie breiteten sich daher allmählich an den zonalen Standorten aus. Kiefern und Birken keimten und wuchsen unter den dichten Kronen der Laubbäume nicht. Sie hielten sich nur an wenigen extra- und azonalen Standorten, auf Dünen, auf Felsen, in Mooren, auf flachgründigem Schotter in Flusstälern. Die zonalen Wälder wurden dadurch erheblich dichter, sie entwickelten sich immer noch zur gleichen Zeit wie die Böden. Ihre Entwicklung kann daher immer auch als Teil einer Primärsukzession aufgefasst werden.
    Die kleineren Erlenfrüchte können zwar vom Wind weiter und rascher verbreitet werden als die Früchte von Linden und Ulmen. Aber es mussten sich zunächst staunasse Moorbereiche innicht mehr durchflossenen Niederungen, die typischen Standorte von Schwarzerlen, entwickeln, damit sich dieser Baum in größerer Menge ausbreiten konnte. Die Buche, deren Früchte ebenso wie diejenigen der Eiche von Tieren verbreitet werden können, breitete sich erst spät aus. Sie übernahm die Vorherrschaft an vielen zonalen Standorten. Denn Buchen keimen und wachsen unter Eichen, Eichen aber in der Regel nicht unter Buchen. Eichen, Ulmen, Linden, Eschen und Ahorn waren zwar in manchen Buchenwäldern weiterhin vorhanden, sie kamen aber nun im Wesentlichen nur noch an extra- und azonalen Standorten vor: in zeitweise überfluteten Flussniederungen, an Felsen, auf trockenen Südhängen. Allerdings muss angemerkt werden, dass die Buche zwar heute an zonalen Standorten vorherrscht, dass ihre Etablierung aber mutmaßlich durch menschlichen Einfluss begünstigt wurde. Denn an den meisten Orten in Mitteleuropa breitete sich die Buche erst zu einer Zeit aus, in der menschlicher Einfluss auf Ökosysteme bereits eingesetzt hatte. Davon wird noch die Rede sein.
    Die Tatsache, dass Buchenwälder heute in weiten Teilen Mitteleuropas die klimazonale Vegetation bilden, ist – so zeigt der Ablauf der Vegetationsgeschichte – keine Basis für die Annahme, dass diese Wälder in Mitteleuropa besonders urwüchsig seien. Und angesichts der Feststellung, dass sich die klimazonale Vegetation Mitteleuropas in den letzten Jahrtausenden mehrfach geändert hat, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass Buchenwälder auf alle Ewigkeit die zonale Vegetation Mitteleuropas bilden werden. Sie bestehen in heutiger Gestalt erst seit wenigen Jahrtausenden.
Selektion und Evolution
    Alle anderen Waldtypen mit ihren Gehölz- und Krautarten hielten sich nur an extra- oder azonalen Standorten. Dort haben diese Pflanzen abseits von ihren physiologischen Optima ihre ökologischen Verbreitungsschwerpunkte. Sie wachsen nicht dort, wo sieam besten gedeihen würden, sondern dort, wo sie nicht von anderen Gewächsen verdrängt werden, die sich noch besser an bestimmten Standorten durchsetzen.
    Dies hat unterschiedliche Folgen für die Entwicklung der Populationen der einzelnen Arten von Gewächsen. Wenn Pflanzen wie die Buche vor allem dort verbreitet sind, wo sie auch die höchste Vitalität besitzen, wo also der Verbreitungsschwerpunkt am Standort des physiologischen Optimums liegt, werden im Lauf der Evolution Individuen mit durchschnittlichen Eigenschaften gefördert, die an durchschnittlichen Standorten wachsen. Die Selektion wirkt stabilisierend auf die Populationsentwicklung ein; Individuen, die extreme Eigenschaften haben, werden nicht vorrangig gefördert.
    Dies ist bei Arten anders, die den Schwerpunkt ihrer Verbreitung nicht dort haben, wo sie am vitalsten wachsen würden, deren Verbreitungsgebiet also abseits von deren physiologischen Optima liegen. Dort werden in der Evolution nicht diejenigen Individuen begünstigt, die ein durchschnittliches Wachstum bei durchschnittlichen Standortbedingungen aufweisen, sondern es werden Individuen mit extremen Eigenschaften gefördert, die beispielsweise raschwüchsig, besonders klein oder besonders gut in der Lage sind, an Wasser heranzukommen. Die Selektion läuft dann gerichtet ab, die genetische Konstitution von Populationen ändert sich in diesem Fall rascher als bei Arten, die auf klimazonalen Standorten gedeihen. Dies könnte bei Stiel- und Traubeneiche sowie der Esche der Fall sein.
    Wenn bestimmte Arten an verschiedenen extra- oder azonalen Standorten gedeihen, kann die Selektion in mehrere Richtungen ablaufen, an einem Standort in die eine, an einem anderen in

Weitere Kostenlose Bücher