Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
Nordhänge blieben stets bewaldet. Steile Südhänge eigneten sich dagegen zum Anbau von Obst, in manchen Gegenden sogar zur Anlage von Weinbergen. Weitere Hänge, vor allem Südhänge, wurden durch Terrassierung in zusätzliches Ackerland überführt.
Die natürlichen Parameter, die verschiedenen Eingriffe des Menschen und die mehr oder weniger regelhaft geschaffenen Strukturen prägen eine Landschaft als «Totaleindruck einer Gegend».Dabei bestehen Beziehungen zwischen bestimmten Typen von Standorten und deren Nutzungsmöglichkeiten. Bestimmte Strukturen von genutzten Gebieten treten regelhaft auf; erfasst man sie also, gelingt es, auf den Charakter der Landschaft vor dem Beginn von Eingriffen des Menschen zurückzuschließen. Auf alle diese Entwicklungen und die Möglichkeiten der Analyse der Landschaft, die damit zusammenhängen, wird in den folgenden Abschnitten des Buches noch zurückzukommen sein.
Abb. 7-1 Bauernhof in Ökotopengrenzlage zwischen tiefgründigem, trockenem Ackerland auf der Höhe (im Hintergrund) und feuchterem Grünland in der Senke.
9 Landschaftswissenschaft als Zusammenschau
Von den Teilen zum Ganzen einer Landschaft
Erst die mannigfaltigen Aspekte von Landschaft und vieler einzelner wissenschaftlicher Vorgehensweisen mit ihren unterschiedlichen Analyseergebnissen liefern Bausteine zur übergreifenden Darstellung einer Landschaft. Keine isoliert betriebene Analyse ist für sich genommen schon eine Landschaftswissenschaft; und auch die bloße Aneinanderreihung von Ergebnissen, die mit den einzelnen Methoden erzielt wurden, macht noch keine Landschaftswissenschaft aus. Die Anhäufung von Resultaten oder Fakten gelangt über das Deskriptive nicht hinaus. Das Wesen der Landschaftswissenschaft ist nicht allein die Kompilation von Fakten, sondern die plausible Zusammenschau von Einzelergebnissen durch das Erkennen von Evidenzen, verbunden mit der dazugehörigen übergreifenden Reflexion.
In einer landschaftswissenschaftlichen Darstellung werden aus Einzelresultaten Plausibilitäts- und Kausalitätsketten geschaffen: Fakten werden durch Evidenzen miteinander verknüpft. Dabei ist darauf zu achten, wie Menschen auf Natur reagierten und wie sich natürliche Parameter durch menschlichen Einfluss veränderten. Aufeinander aufbauend können die folgenden Fragen gestellt werden: Wie wirkten sich natürliche Grundlagen auf die Ausbildung einer Landschaft aus? Wie haben Menschen auf natürliche Grundlagen und die dadurch entstandenen Landschaften reagiert? Welche Entwicklungen ergaben sich als Folgen des menschlichen Tuns (z.B. Wachstum von neu eingebrachten Pflanzen, Erosion an Bauwerken)? Wie haben Menschen Landschaft erklärt und bewertet?
Darstellung landschaftswissenschaftlicher Resultate
Vor allem in den Naturwissenschaften ist es heute üblich, bei Publikationen die Darstellungsform des wissenschaftlichen Aufsatzes zu wählen. Dabei baut man einen Artikel konsekutiv aus den Teilen «Einleitung und Fragestellung», «Methoden», «Ergebnisse», «Diskussion» und «Schluss» auf. Diese Darstellungsform folgt einem wissenschaftlichen Erkenntnisprozess, der auch für die Beschäftigung mit Landschaft gelten kann.
Am Anfang eines Erkenntnisprozesses von Landschaft steht der erste «Totaleindruck einer Gegend». Dessen Beschreibung fließt, verknüpft mit Wissen aus der Literatur, in den Einleitungsteil einer Publikation über Landschaft ein. Daraus ergibt sich eine Fragestellung, die ebenso der Untersuchung des Bodens wie der Vegetationsgeschichte oder der Erfassung von Landschaftselementen im Raum gelten kann. Es geht womöglich aber auch allein darum, Fakten aus dem Bild von Landschaft abzuleiten, das man vor sich sieht.
Die dabei angewandten Methoden können sehr einfach sein und müssen dennoch in einem eigenen Teil des wissenschaftlichen Artikels dargestellt werden. Es kann allein um die Aufnahme und Sammlung von Daten im Gelände oder auf einem Bild, beispielsweise einer Fotografie, gehen, auch um eine Literaturerfassung, die unter bestimmten Gesichtspunkten durchgeführt wurde. Erneute Auseinandersetzungen mit älterer wissenschaftlicher Literatur unter neuen Gesichtspunkten sind dringende Desiderate, weil sich nur so feststellen lässt, inwiefern ältere Ansichten auf wissenschaftlichen Resultaten oder auf Ideen bzw. Metaphern beruhen, die auf eine interpretierende Bezeichnung einer Landschaft oder eines in ihr enthaltenen charakteristischen Phänomens abzielen. In diesem Teil der
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